Es bewegt sich etwas bei den Trendsettern in Genuss- und Ernährungsfragen. Denn schon 2018 postulierte die Trendforscherin Hanni Rützler unter dem Titel „Female Connoisseurs“ einen starken Trend des Geschlechterwechsels in der Gastronomie- und Nahrungsmittelbranche. Denn junge Frauen als Spitzenköchinnen in der Hauben- und Sternegastronomie sind längst keine Seltenheit mehr, neue Winzerinnengenerationen sorgen für frische neue Impulse in der Weinszene, und auch in vielen anderen Sektoren der Food & Beverage-Branche und der Nahrungsmittelindustrie behaupten sich Frauen zunehmend mit großem Erfolg.
Allerdings: Auch wenn Frauen längst Großes und Zukunftsweisendes in diesen Branchen leisten, sind sie im Verhältnis zu ihren männlichen Kollegen bei weitem noch nicht so sichtbar, insbesondere auch in den Spitzenpositionen. So sind beispielsweise einerseits in der österreichischen Gastronomie zu über 53 Prozent Frauen beschäftigt. Andererseits listet allerdings z. B. das diesjährige „100 Best Chefs 2030“-Ranking des österreichischen Fachmagazins Rolling Pin unter hundert österreichischen Top-Restaurants 100 nur fünf Betriebe auf, in denen Frauen entweder alleine oder auch gemeinsam mit Lebens- und Geschäftspartnernan der Spitze stehen.
Nicht nur Genuss ist längst auch Frauensache, sondern vor allem auch Innovation, Ambition und Mut, wenn es darum geht, Neues zu wagen und neue Zeichen für die Zukunft zu setzen.
Wenn es um die Plätze in den Spitzenrankings oder auf dem Siegerinnenpodest geht, sind Frauen also nachwie vor weit unterrepräsentiert, obwohl sie als erfolgreiche Unternehmerinnen, Innovatorinnen, Gründerinnen und Impulsgeberinnen der österreichischen Gastronomie- und Foodszene diese schon längst verdient hätten. Ein besonderer Grund für gourMETRO, diesmal fünf außergewöhnliche Frauen vor den Vorhang zu bitten und ihnen den Applaus zukommen zu lassen, der ihnen gebührt. Denn sie beweisen: Nicht nur Genuss ist längst auch Frauensache, sondern vor allem auch Innovation, Ambition und Mut, wenn es darum geht, Neues zu wagen und neue Zeichen für die Zukunft zu setzen.
Eines der größten Probleme der industriellen landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion ist die Verwendung von Stickstoffdünger. Denn mit Stickstoff gedüngte Felder bringen zwar reiche Ernten – doch die Stickstoffüberfrachtung der Böden kann verheerende Folgen mit sich bringen. Denn nur ein Teil des Stickstoffs in den Düngemitteln wird von den Kulturpflanzen aufgenommen. Der Rest verpufft in der Umwelt, belastet durch Übersäuerung Böden und Gewässer und bedroht Klima, Artenvielfalt und die menschliche Gesundheit. Zudem benötigt die Produktion von Stickstoffdünger extrem viel Energie, setzt viel CO2 frei und ist abhängig von der Verfügbarkeit von Erdgas. Dieser Problematik hat die Mikrobiologin Birgit Mitter, Co-Founderin des Tullner Agrikultur-Start-ups Ensemo, das sie 2021 gemeinsam mit Nikolaus Pfaffenbichler gegründet hat, den Kampf angesagt. Die beiden Forschenden, die zuvor gemeinsam am Austrian Institut of Technology (AIT) tätig waren, haben eine innovative Technologie entwickelt, die Pflanzen bei ihrem Wachstum nicht mittels Stickstoff, sondern durch natürliche Mikroorganismen auf die Sprünge hilft. Doch damit Mais, Sojabohne und Co. tatsächlich zum Sprießen gebracht werden, müssen die Mikroorganismen zunächst in die Pflanze gelangen. Dies wird durch ein eigenes, von Ensemo patentiertes Verfahren ermöglicht, bei dem die Mikroorganismen direkt ins Saatgut injiziert werden.
Grundsätzlich ist das Behandeln von Saatgut, auch „Beizen“ genannt, eine sehr alte Landwirtschaftstechnik, die schon im Altertum bekannt war. Der entscheidende Unterschied zur Ensemo-Technologie ist allerdings, dass bisher die Wirkstoffe nur von außen auf das Saatgut aufgebracht wurden. Die neue sogenannte SeedInjection-Methode ermöglicht nun jedoch die Behandlung von innen, wodurch die sensiblen Mikroorganismen weitaus bessere Entfaltungsbedingungen vorfinden. Der großflächige Einsatz von Mikroorganismen in der Landwirtschaft als biologische Alternative zu schädlichen Chemikalien bedeutet eine äußerst wertvolle Schlüsseltechnologie zur Bewältigung der Umweltherausforderungen in der Landwirtschaft – und macht Birgit Mitter gemeinsam mit ihrem Ensemo-Team zu zukunftsweisenden Revolutionären in der Nahrungsmittelproduktion.
Schon bei den alten Römern war Diana traditionell die Göttin der Jagd. Eine Leidenschaft, die auch Verena-Diana Rosenkranz vor einigen Jahren für sich entdeckte, als sie ins niederösterreichische Waldviertel nach Rappottenstein zog und sich dort nicht nur in die idyllische Landschaft verliebte, sondern auch die Jagdprüfung ablegte. Auch wenn beinahe jeder zehnte Waidmann hierzulande bereits eine Waidfrau ist, gilt die Jagd nach wie vor als klassische Männerdomäne. Umso mehr ein Grund für Verena-Diana Rosenkranz, hier als Frau neue Maßstäbe zu setzen und mit einer ebenso „wilden“ wie rundum überzeugenden Geschäftsidee zu brillieren: Ihr Unternehmen „Wildviertel“ veredelt heimisches Wild zu feinen Wildprodukten wie Hirschedelragout, Wildpastete, Rohwürsten oder Rohschinken von Hirsch und Wildschwein – und das in allerbester ursprünglicher Fleischqualität direkt aus der Natur, ganz ohne Tierleid, Stress, Medikamente oder Chemie.
Alle Produkte stammen zu hundert Prozent aus österreichischen Jagden und werden in Produktionsstätten in Niederösterreich und Oberösterreich mit höchster Sorgfalt verarbeitet: Die Rohschinken reifen traditionell über mehrere Wochen, die Fertiggerichte im Glas werden nach gut gehüteten alten Familienrezepten zubereitet. Wie so manche clevere Unternehmensidee war übrigens auch die Gründung von Wildviertel der Corona-Krise zu verdanken: Da das Wild aus ihrer 500 Hektar großen Jagdfläche plötzlich in der Gastronomie keine Abnehmerinnen und Abnehmer mehr fand, begann Verena-Diana Rosenkranz, es zunächst im kleinen Stil selbst zu verarbeiten, mittlerweile sind auch mehrere weitere regionale Jagdbetriebe mit an Bord – denn die Nachfrage steigt stetig und die köstlich-authentischen „Wildviertel“-Produkte stehen mittlerweile längst auch bei METRO im Regal.
Auf dem Weg zur wahren Berufung muss man im Leben auch manchmal einige Umwege gehen. So war es auch einst bei Silvia Heinrich, die einerseits schon während ihrer Kindheit in den siebziger Jahren auf dem elterlichen Weingut wusste: „Ich will Winzerin werden.“ Andererseits war eine solche Laufbahn für Frauen damals kaum denkbar, deshalbwar vorprogrammiert, dass ihr Bruder die Landwirtschaft übernehmen und sie auf der Handelsakademie in Wien einen„normalen“ Beruf erlernen sollte. Doch nach einer rund zehnjährigen Karriere in der Medienbranche zog es Silvia Heinrich dann doch wieder zu ihrer ursprünglichen Leidenschaft: 2002 kehrte sie von der Großstadt in den elterlichen Betrieb in Deutschkreuz zurück und übernahm 2010 auch dessen Leitung. Schon 2014 sorgte sie erstmals für größeres Medienecho, als sie von der Jury des Österreichischen Wirtshausführers zur Winzerin des Jahres gekürtwurde. Heute ist sie längst als erfolgreichste Rotweinwinzerin des Landes bekannt. Vor wenigen Tagen wurde die Winzerin sogar in die 5-Kronen-Kategorie bei Vinaria aufgenommen. Dies schaffen nur wenige Winzer in Österreich.
Wer im Burgenland Rotwein sagt, muss natürlich auch Blaufränkisch sagen – und gerade bei dieser urtypisch mittelburgenländischen Rebsorte, die seit 2005 DAC-Status genießt, hat Silvia Heinrich begeisternde neue Qualitätsmaßstäbe gesetzt. Die Voraussetzung dafür war freilich ein radikaler Schritt: Ausgerechnet die frühere Lieblingssorte ihrer Mutter, der Sauvignon Blanc, fiel den umfangreichen Rodungen auf ihren rein händisch sowie ohne Insektizide und Herbizide bewirtschafteten rund 40 Hektar Anbauflächen zum Opfer, als sie konsequent wieder zum Blaufränkisch zurückkehrte, den ihre Großeltern dort schon in den vierziger Jahren kultiviert hatten. Die Kompromisslosigkeit hat sich freilich gelohnt, denn ihr „Silvia Heinrich Edition Alte Reben Blaufränkisch“, der auf dem Rebenschatz ihrer Vorfahren basiert, gilt mit 97 Falstaff- und À la Carte-Punkten als absoluter heimischer Spitzenrotwein – und hat Silvia Heinrich zu Recht die Krone als Blaufränkisch-Königin des Burgenlands eingetragen.
Wer die Wiener Barszene ein wenig aufmerksamer beobachtet, kommt schon seit einigen Jahren an Katharina Schwaller kaum vorbei. Aufmerksam machte sie bereits vor Jahren auf sich, etwa in der hippen Dachboden-Bar des 25hours Hotels, im ambitionierten, doch leider nur auf ein halbes Jahr befristeten Bar-Pop-up Salopp von Andreas Trattner am Passauer Platz, später dann im Heuer am Karlsplatz und auch als Barmanagerin des The Ritz Carlton Vienna. Denn die junge Ausnahme-Barkeeperin vereinte schon von Anfang an ihr großes Talent für unkonventionelle Experimentierfreude mit einem ungemein soliden Know-how-Background und einer großen Leidenschaft fürs klassische, detailverliebte Handwerk – eine unschlagbare Dreier-Kombination, die sie in ähnlicher Weise auch privat als ambitionierte Triathletin lebt. Daher war es nur eine Frage der Zeit, bis die gebürtige Neunkirchnerin nicht nur bei Wiener Barkennerinnen und -kennern höchsten Insider-Kultstatus als absolute Go-to-Adresse für ultimative Barkultur genoss, sondern auch von der großen weiten Welt der internationalen Spirituosenszene entdeckt wurde.
Und höchst passend zu Katharinas unkonventionellem Image ist die „Falstaff Barfrau des Jahres 2019“ nun seit 2022 bei der wohl unkonventionellsten Gin-Marke der Welt mit an Bord: Als Brand Ambassador bei Hendrick’s Gin, der übrigens sein avantgardistisches Aroma und seine einzigartige Rezeptur ebenfalls einer Frau verdankt, der schottischen Master Distillerin Lesley Gracie. Und da sich die exzentrische Welt von Hendrick’s um anspruchsvolle Mixologie auf höchstem Niveau dreht und um den konsequenten Mut zum kreativen Anderssein, ist Katharina Schwaller ganz in ihrem Element: „Mein Ziel ist es, die wunderbare Weltvon Hendrick’s Gin mit all ihren Facetten und außergewöhnlichen Seiten noch stärker sichtbar zu machen und gemeinsam mit unserer heimischen Bar-Community umzusetzen“, verrät sie ihre Zukunftspläne. „Ich möchte bei jungen Barkeeperinnen und Barkeepern die Leidenschaft wecken, ihre Besonderheit zu leben und ihre Gäste authentisch zu inspirieren.“
In der über 180-jährigen Geschichte der Wiener Traditions-Sektkellerei Schlumberger hat ein neues Zeitalter begonnen. Denn erstmals seit der Gründung des Unternehmens anno 1842 ist nun mit Aurore Jeudy eine Frau als Kellermeisterin bei Schlumberger tätig. Die vielfältig erfahrene Önologin von internationalem Format stammt ursprünglich aus dem Elsass, einer der renommiertesten Weißweinregionen Frankreichs. Und ebenso wie Firmengründer Robert Alwin Schlumberger, der einst die berühmte Méthode Champenoise der Sektherstellung aus der Champagne nach Wien brachte, hat auch sie ihr Handwerk in der Champagne gelernt und ist mit der jahrhundertealten Tradition der Champagnerproduktion schon seit rund zwei Jahrzehnten und seit Anfang ihrer Karriere eng verbunden. Ihre Laufbahn startete Jeudy nach Abschluss ihrer Ausbildung als Weinbautechnikerin zunächst als Winzer-Assistentinfür zahlreiche namhafte französische Wein- und Champagnerhersteller wie Domaine Roblet-Monnot, Perrier-Jouët und Champagne De Castellane.
2006 schloss sie ihr Önologiestudium an der Université de Reims in der Champagne ab, ehe sie zum berühmten Institut Oenologique de Champagne wechselte. Dort beriet sie über 16 Jahre lang diverse Wein- und Champagnerkellereien in Europa und Asien. Seit September 2022 hat sie nun in Österreichs ältester und traditionsreichster Sektkellerei das Ruder in Sachen Sektherstellung übernommen und leitet damit eine bemerkenswerte neue Ära in der Unternehmensgeschichte ein. Ihr besonderes Anliegen: einerseits den bewährten und beliebten Schlumberger-Stil mit seiner ausgewogenen Mischung von Eleganz und Komplexität zu bewahren, und andererseits auch den damals schon berühmten Pioniergeist von Robert Alwin Schlumberger kongenial fortzusetzen. Denn auch er hatte schon vor bald zwei Jahrhunderten ein überaus aufmerksames Auge für neue Genusstrends und machte Schlumberger schon zur Biedermeierzeit zur absoluten Trendmarke.
Fotocredits: Thomas Meyer, Ensemo GmbH, Falstaff Verlags-GmbH, Weingut Heinrich GmbH, Wildviertel GmbH