„Einige der berühmtesten Champagnermarken sind Frauen zu verdanken“
Nikolaus Prokop

Sekt- und Champagnerexpertin Aurore Jeudy, seit September 2022 Kellermeisterin bei Schlumberger, im persönlichen Gespräch.

Woran liegt es eigentlich, dass Frauen als Kellermeisterinnen in den Champagner- und Sektkellereien Europas immer noch eine Ausnahme sind?

Ich will gar nicht so tun, als hätte ich eine ausreichende Erklärung auf diese Frage. Ich betrachte „Frauen im Weinbusiness“ jedoch nie als eine Ausnahme. Das liegt aber wahrscheinlich daran, dass ich mein DNO (Diplôme National d’Oenologue) in Reims in der Champagne gemacht habe. Hier wurden einige Champagnerhäuser in der Vergangenheit sehr erfolgreich von Frauen geführt. Die Frauen Pommery, Clicquot oder in jüngerer Zeit auch Duval-Leroy sind hier nur einige nennenswerte Beispiele. Diese Region hat Frauen in diesen Berufen immer anerkannt und nie an ihren Fähigkeiten gezweifelt.

Es stimmt aber, dass Frauen als Kellermeisterinnen in Europa immer noch zur Minderheit zählen. Die Situation ändert sich jedoch langsam, und ich bin wirklich stolz, dass Schlumberger – ein Unternehmen, das 1842 gegründet wurde und hierzulande der älteste, traditionsreichste und wichtigste Hersteller von Sekt nach der Methode Traditionelle ist – keine „Angst“ davor hatte, eine Frau in diese Position zu setzen. Das zeigt, dass Tradition und Innovation keine Widersprüche, sondern gelebte Unternehmenskultur sind. Meine Aufgabe ist es nun, die Geschichte und den Stil des Hauses zu wahren und es gleichzeitig in die Zukunft zu führen.

Was war der Auslöser Ihrer Karriere bzw. wodurch haben Sie Ihre persönliche Liebe zu den Themen Wein, Sekt und Champagner entdeckt?

Erstens bin ich im Elsass aufgewachsen, wo Weinberge und Wein generell zur DNA der Region gehören. Zweitens fasziniert mich die Umwandlung eines Rohstoffes in ein Endprodukt, und zu guter Letzt mag ich Herausforderungen. Nach meiner wissenschaftlichen Ausbildung habe ich beschlossen, Winemaker zu werden. Ich habe im Elsass (Weißwein) und im Burgund (Rotwein) studiert, aber mein Diplom in der Champagne gemacht. Als ich dann die Welt der Schaumweinherstellung entdeckte, verliebte ich mich in diese. Sie verbindet Kunst mit Wissenschaft, Präzision, Herausforderung und einer Portion Glück. Für mich ist die Herstellung eines guten Schaumweins das behutsame Aneinanderfügen vieler kleiner Details, wie ein Puzzle, und sie erfordert Jahr für Jahr viel Aufmerksamkeit.

Wie wird man eigentlich zur Kellermeisterin bzw. welche fachliche Ausbildung haben Sie absolviert?

Es gibt kein offizielles Diplom für eine/n „Chef/fe de Caves“. Nach der Schule habe ich vier Jahre lang Biologie und Agronomie studiert, mit einer Spezialisierung auf Weinbau und Önologie. Danach habe ich eine der fünf französischen Schulen besucht, die den nationalen Ingenieurtitel des Önologen verleihen. Nach meinem Abschluss war ich 16 Jahre lang als Sektberaterin in verschiedenen Ländern tätig und habe Jahrgang für Jahrgang mehr Erfahrung gesammelt. Aber die Welt der Önologie ist eine kleine Welt und wir kennen uns untereinander. Man wird Chef/fe de Caves, wenn Kolleginnen und Kollegen deine Arbeit schätzen und dich auserwählen, so wie Herbert Jagersberger von Schlumberger mich nach jahrelanger Zusammenarbeit dazu erwählt hat.

Die aus der Champagne stammende Méthode Traditionnelle hat bei Schlumberger seit 1842 Tradition. Was haben eigentlich Schlumberger und Champagner grundsätzlich noch gemeinsam? Und wo liegen die grundsätzlichen Unterschiede?

Ich mag diese Frage, weil es verschiedene Herangehensweisen an die Antwort gibt. Unser Gründer, Robert Alwin Schlumberger, war der Erste, der nach seiner Tätigkeit bei Ruinart in Frankreich die dort gelernte Champagnermethode nach Österreich gebracht hat. Aufgrund dieser Entscheidung sind die Wurzeln und der Geist der Sektkellerei Schlumberger sehr eng mit der Mentalität der Champagne verbunden. Er widmete sich ausschließlich der Herstellung von Sekt, der auf Qualität ausgerichtet und in einer Region verankert ist. Technisch gesehen arbeiten wir bei Schlumberger nach wie vor mit der Méthode Traditionnelle, wie auch die Kolleginnen und Kollegen in der Champagne. Das bedeutet, dass die zweite Gärung – also jene, die die Eigenschaften des Schaumweins entwickelt, wie die Blasen und autolysierende Aromen – nur in der Flasche stattfindet.

Jeder, der eine Flasche Schlumberger genießt, schmeckt dabei immer auch einen Teil unserer Geschichte. Die Flasche im Regal oder im Kühlschrank zu Hause hat monatelang in unseren Kellern gelegen, um zu reifen. Und dieses Konzept, das Geduld und Respekt vor dem, was die Natur uns gegeben hat, mit dem Respekt gegenüber unseren Kundinnen und Kunden, die den Sekt trinken, miteinander verbindet, haben Schlumberger und französische Champagnerhäuser gemeinsam.

Ich könnte also sagen, dass wir viele Werte teilen, diese aber unterschiedlich umsetzen. Ich sagte ja bereits, dass Herkunft und Gebiet für uns wichtige Werte waren und weiterhin sind – und darin besteht auch der größte Unterschied. Die Sekte der Sektkellerei Schlumberger werden ausschließlich aus Trauben hergestellt, die in österreichischen Weinbergen geerntet werden. Die Methode Traditionelle erlaubt es uns, die Typizität des österreichischen Terroirs, wie Böden, Trauben und Wetter, zum Ausdruck zu bringen und unseren eigenen Stil zu entwickeln: frisch, elegant und fruchtig.

Schlumberger hat erst vergangenes Jahr sein 180-jähriges Jubiläum gefeiert: Wie viel der bewährten Schlumberger-Tradition soll auch in Zukunft beibehalten werden und welche Innovationen sind andererseits von Ihnen geplant?

Tradition bedeutet für uns österreichische Herkunft, die Anwendung der Methode Traditionnelle, aber genauso Innovation. Robert A. Schlumberger war schon innovativ, als er als Erster Cabernet Sauvignon und Merlot in Österreich angepflanzt hat. Ich persönlich möchte mich vor allem auf Innovationen in Sachen Nachhaltigkeit und Qualität konzentrieren. Das bedeutet, eine andere Assemblage für die Schaumweinherstellung zu testen oder beispielsweise mit Reserve-Basisweinen zu arbeiten. Tatsache ist, dass es viele Jahre dauert, über Innovation zu sprechen, wenn man nach der traditionellen Methodeproduziert. Es braucht Zeit, deshalb lautet mein Motto hierbei: Evolution, nicht Revolution.

Was muss eine Marke wie Schlumberger tun, um einerseits traditionsbewusst zu bleiben und andererseits neuen Genusstrends gerecht zu werden? Welche Trends sehen Sie hier persönlich für die kommenden Jahre, auf die Schlumberger die richtigen Antworten finden muss?

Einerseits halte ich es für absolut notwendig, auf Trends und Verbraucherwünsche zu hören und das Angebot dementsprechend anzupassen. Gleichzeitig sind wir aber ein Hersteller von Qualitätsschaumweinen und können gar nicht jedem Trend folgen. Meiner Meinung nach ist dies Schlumberger in der Vergangenheit perfekt gelungen: Der Markt für Rosé-Schaumweine wächst, und wir haben mit unserem Sparkling Rosé die perfekte Antwort darauf. Unser Ice Secco Sortiment bietet die Möglichkeit, Schaumwein ganz anders zutrinken, z. B. mit Eiswürfeln.

Für die Zukunft wünsche ich mir daher, den Schlumberger-Stil weiter zu optimieren. Ich möchte z.B. schrittweise die Zuckerdosierung im Endprodukt verringern, denn es gibt einen sehr deutlichen Trend in Richtung weniger Zucker. Für mich als Winemaker bedeutet dies, die perfekte Reife der Trauben während der Ernte zu erreichen, die verschiedenen Grundweine optimal zu mischen, um so eine Komplexität zu erreichen, die es uns erlaubt, schlussendlich in der Flasche mit einer geringeren Dosage zu arbeiten.

Ich möchte aber auch neue Schaumweine auf den Tisch bringen, die komplex und elegant perfekt als Speisenbegleitung passen. Ich finde, dass unsere Schaumweine beispielsweise perfekt mit Käse harmonieren. Bei Schlumberger sprechen wir gern und oft über Tradition und Innovation, um den Kern der Marke zu beschreiben. Ich ziehe es aber vor, von Qualität, Leidenschaft, Emotion und Lebensmomenten zusprechen.

Fotocredits: Schlumberger Wein- und Sektkellerei GmbH, Thomas Meyer

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