Cibus Parma 2022: Im kulina­rischen Herzen Italiens
Nikolaus Prokop

Die Cibus Parma ist eine der größten Kulinarik-Messen Italiens. Sie findet alljährlich inmitten einer der wichtigsten Genussregionen des Landes statt, die alleine schon für ihren Prosciutto di Parma weltweit legendär ist.

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ausende Hersteller, von der kleinen Familienmanufaktur bis zum Großkonzern, präsentieren hier vom Traditionsprodukt bis zu zukunftsweisenden Innovationen eine gigantische Vielzahl an Produkten und Trends, die in Italien ebenso wie weltweit in den kommenden Jahren tonangebend sein werden. METRO Trendscout Aaron Waltl berichtet von seinen Erlebnissen und Eindrücken auf der Cibus Parma 2022 – und erzählt, warum auch ein Neunzig-Sekunden-Risotto eine Delikatesse sein kann.

Aaron Waltl
Aaron Waltl

Executive Chef und Trendscout METRO Österreich

Du hast im Frühling dieses Jahres ausgiebig die Cibus Parma besucht, die nach längerer Corona-Pause nun wieder in vollem Umfang stattfinden konnte. Was waren deine spannendsten Eindrücke und Ergebnisse?

Das besonders Spannende an der Cibus Parma ist, dass hier wirklich die komplette kulinarische Szene Italiens an einem zentralen Ort versammelt ist und dass alle Welt zusammentrifft, um die neuen – genauso wie auch viele klassische und traditionelle – Food-Trends Italiens kennenzulernen, von kleinen Manufakturen bis zu den großen Food-Konzernen. Hinzu kommt, dass ja schon die Region Parma an sich eine der wichtigsten und größten Genussregionen Italiens ist – das begreift man erst so richtig, wenn man vor riesigen Parmigiano Reggiano-Ständen mit unzähligen Produkten steht, die in ihrer Größe nahezu unüberschaubar sind. Oder wenn man Parmaschinken sieht, so weit das Auge reicht. Oder wenn man in einer Halle herumwandert, in der es einzig und allein nur um das Thema Mozzarella und Burrata geht.

Was sind auf der Cibus Parma die wichtigsten Themen der Aussteller und Ausstellerinnen?

Das sind natürlich einerseits die großen traditionellen Themen der italienischen Genusskultur, also Hersteller und Herstellerinnen aus den Kategorien Pasta und Risotto, Essig/Balsamico, Käse, Fleisch- und Wurstwaren mit gefühlt einem Kilometer Prosciutto, Salami und Co., Pizza-Produkte – also die echten Klassiker, die man üblicherweise mit Italien verbindet. Dazwischen sind jedoch sehr spannende Neuheiten und Innovationen eingeflochten, etwa Hersteller und Herstellerinnen, die sich mit laktosefreier Burrata beschäftigen oder mit vegetarischem Mozzarella, der ohne Kalbslab hergestellt wird. 
Der Trend geht heute auch bei der klassischen italienischen Küche, die ja grundsätzlich eher konservativ ist, ganz klar in Richtung der Berücksichtigung von Nahrungsmittelallergien und besonderen Ernährungsweisen. Vegane Produkte spielen zwar noch nicht eine so große Rolle, aber auch in dieses Segment kommt jetzt immer mehr Bewegung, das ist allein an der großen Menge an veganen Fleischersatzprodukten abzulesen, die hier präsentiert wurde. Veganer Parmaschinken oder vegane Salami sind zwar vermutlich noch länger nicht denkbar, aber bei weniger typisch italienischen Produkten, wie fleischfreie Burger oder Würstchen, ist mittlerweile abzusehen, dass auch in Italien vegane Ernährung als Trend klar im Zunehmen ist.

Welche neuen Trends konntest du auf der Cibus Parma beobachten?

Das kann in Italien natürlich nichts anderes sein als zum Beispiel das unerschöpfliche Thema Pasta: Trockene Pasta, gefüllte und ungefüllte Pasta, gefrorene Pasta, handgemacht oder maschinell erzeugt – eine so große Fülle an Pasta-Ideen wie auf der Cibus Parma, vor allem auch im ständig wachsenden Convenience-Bereich, wird man wohl kaum woanders sehen. Aber der für mich persönlich spannendste Trend war das große Thema Pinsa, das auf der Cibus Parma besonders viel Raum eingenommen hat. Hier konnte man auch sehr gut das große Missverständnis beobachten, das in puncto Pinsa z. B. in Österreich oft noch vorherrscht. Denn die Pinsa ist keineswegs einfach nur eine etwas andere Kategorie der Pizza, die genauso mit Tomaten, Mozzarella und Ähnlichem belegt wird, sondern eine ganz eigene Geschichte für sich. 
In Italien wird sie z. B. überwiegend frisch belegt, die Zutaten werden also nicht mitgebacken, und die Zubereitung – und natürlich auch der Geschmack – ist dadurch grundlegend anders. Auf den knusprigen warmen Teigboden kommt zuerst eine Basiscreme, z. B. mit Basilikum, und dann rohe, kalte oder gesondert vorgegarte Zutaten, wie z. B. Pancetta, eingelegter Spargel, getrocknete Tomaten, Osso Bucco, Osso Collo, Radicchio, Mozzarella etc. Und auch bei den Arten und Formaten ist man sehr kreativ: Es gibt große Pinse zum Teilen mit anderen, Varianten in Vollkorn, glutenfrei, rund, oval und vieles mehr. Hier können wir also in Österreich noch viel dazulernen, denn bislang wurde die Pinsa bei uns eher unterschätzt – auf der Cibus Parma war z. B. nirgendwo eine Pinsa zu sehen, die überbacken war.

Was bedeuten die aktuellen Themen der Cibus Parma für die Zukunft der Gastronomie?

Ein ganz wichtiges Thema ist der Convenience-Bereich, denn genauso wie bei uns fehlen auch der italienischen Gastronomie immer mehr die Arbeitskräfte. Wo weniger Menschen arbeiten, muss es also jetzt schneller und rationeller zugehen, und es war wirklich beeindruckend zu sehen, welch hohe Qualität mittlerweile der Convenience-Bereich auch bei sehr traditionellen italienischen Gerichten gewonnen hat, von denen man meinen sollte, dass sie eigentlich nur „La Mamma“ in der guten alten „Cucina“ mit viel Zeit und Handarbeit so perfekt hinbekommen sollte. Ich habe auf der Cibus Parma etwa ein wirklich köstliches Convenience-Risotto gegessen, das in nur 90 Sekunden zubereitet war. Die Reiskomponente und die Saucenkomponente waren jeweils tiefgekühlt getrennt verpackt und mussten nur noch gemeinsam erwärmt werden. Und ich muss sagen, mit dieser Qualität und mit diesem Geschmack muss sich auch ein gehobenes Restaurant keineswegs verstecken. 
Es wird also generell sehr spannend sein, was sich hier auch in Zukunft im hochklassigen Convenience-Bereich noch so alles tun wird, natürlich auch beim Thema Pasta. Und ich denke, dass hier aktuell ein großes Umdenken stattfindet: Italienische Kulinarik wird natürlich immer auch davon leben, dass hier in kleinen Familienbetrieben von Grund auf mit viel Liebe, Hingabe und Erfahrung von Grund auf frisch gekocht wird. Aber speziell bei größeren Betrieben oder in der Hotellerie wird Convenience ein großes Zukunftsthema sein. Und ich denke, hier muss man sich in Zukunft von dem Snobismus verabschieden, dass einzig und alleine nur frisch gekocht das einzig Wahre ist. Die moderne Lebensmitteltechnologie ermöglicht mittlerweile Verfahren und Methoden, die diesem hohen Frischeanspruch sehr, sehr nahe kommen und die in Zukunft noch viel verändern werden – vor allem, wenn man auch den generellen wirtschaftlichen Strukturwandel in der Gastronomie berücksichtigt. Apropos Risotti: Ein weiterer spannender Bereich ist etwa die Entdeckung neuer bzw. alter Reissorten, die neue kreative Möglichkeiten eröffnen. Etwa Reis, der von Natur aus schwarz ist, oder Risottoreis in Pink – auch hier tut sich im Augenblick sehr viel.

Welche spannenden Themen konntest du außerhalb der klassischen italienischen Küche noch beobachten?

Auch in Italien wird natürlich nicht immer nur traditionell gegessen – schließlich kommt ja auch in Österreich nicht täglich nur Schnitzel auf den Tisch. Sehr interessant war es daher festzustellen, dass die asiatische Küche – und speziell Poke-Bowls – bei den jungen Italienern und Italienerinnen aktuell ein sehr großer Trend ist. Dementsprechend umfangreich war auch das Auftreten von Ausstellern und Ausstellerinnen mit asiatischen Produkten. Bei den Poke-Bowls war wiederum das Thema Convenience sehr beeindruckend. 
Es gibt kaum ein Poke-Topping, das mittlerweile nicht als hochwertiges Convenience-Produkt in guter Frischequalität erhältlich ist, fertig geschnitten und gewürfelt für die extrem schnelle Zubereitung, von Fisch, Fleisch oder Avocado bis Gemüse und unzähligen Zutaten mehr. Puristen und Puristinnen werden natürlich die Nase rümpfen, dass auch das Thema Asien auf der Cibus Parma stark vertreten war, aber so abwegig ist das im Grunde ja gar nicht: Der Legende zufolge soll Marco Polo einst die Nudel aus China nach Italien gebracht haben – ohne die asiatische Küche wäre also auch die italienische Küche um einen wichtigen Klassiker ärmer.

STEINBUTT AUF WILDKRÄUTERN UND SCHOLLE auf dem Holzbrett von Aaron Waltl

Fotocredits: Cibus
Illustration: Kerstin Luttenfeldner / Agentur Caroline Seidler

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