Biolo­gischer Weinbau: Wenn die Natur das Sagen hat
Nikolaus Prokop

Beim Bio-Weinbau nimmt Österreich unter den weltweit führenden Weinnationen mit Platz 2 eine absolute Spitzenposition ein. Drei führende österreichische Weingüter aus Wien, der Wachau und dem Burgenland beweisen mit richtungsweisenden Strategien, dass der Bio-Qualität beim Weinbau im Interesse von Genuss und Natur eine immer größere Zukunft gehört.

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enn es um das Thema Bio geht, ist das kleine Österreich einer der absoluten globalen Trendsetter. Denn durch die Corona-Krise noch beschleunigt, hat der Konsumanteil an umweltschonend hergestellten, gesunden Lebensmitteln in den letzten Jahren hierzulande längst die Zehn-Prozent-Marke durchstoßen. Fast ein Viertel der unter 30-jährigen Österreicher und Österreicherinnen konsumiert regelmäßig Produkte aus ökologischem Anbau.

ALEXANDER ZAHEL: IM KELLER TÜFTELT DER CHEF PERSÖNLICH.

Und da Österreich beim Pro-Kopf-Verbrauch von Bio-Lebensmitteln heute weltweit an vierter Stelle liegt und jeder vierte heimische Landwirtschaftsbetrieb mittlerweile ein Bio-Betrieb ist, ist es kein Wunder, dass Österreich auch beim Bio-Weinbau mit mittlerweile 6.900 Hektar Anbaufläche unter den weltweit führenden Weinnationen eine Spitzenposition einnimmt: Nur Italien mit 15 Prozent führt knapp vor Österreich und Frankreich mit je 14 Prozent bio-zertifizierter Rebflächen. Weit abgeschlagen folgen Deutschland und Mexiko mit je 8 Prozent. Und mit 6,2 Prozent Anteil an der globalen Bio-Gesamtanbaufläche stammt weltweit immerhin bereits jede sechzehnte Flasche Biowein aus Österreich.

Österreich: Platz zwei weltweit beim Bio-Weinanbau

Unter den rund 20.000 österreichischen Weinbetrieben gibt es freilich so manche, für die Bio keineswegs ein aktueller Trend ist, sondern immer schon eine Selbstverständlichkeit war. Einer, dessen Familie das schon seit Generationen weiß, ist Alexander Zahel, der heute in vierter Generation das weithin bekannte und international renommierte Bio Weingut Zahel in Liesing leitet – auch wenn die Erfolgsstory eigentlich mit einem ganz anderen natürlichen Getränk begann, nämlich mit Wasser. Denn seit 500 Jahren waren die Zahels im Süden von Wien eigentlich als Brunnenbauer tätig. Erst als 1873 die Erste Wiener Hochquellenleitung gebaut wurde und die Stadtbrunnen überflüssig wurden, mussten sie sich nach einem anderen Geschäftsfeld umsehen und sattelten auf Landwirtschaft und Weinbau um.

Alexander Zahel

Naturnah schon seit Generationen

„Meine Familie hat eine interessante Geschichte“, erzählt Zahel. „Schon meine Großeltern sagten: ‚Wir wollen die Schmetterlinge im Weinberg flattern lassen‘, und haben die Industrialisierung im Weinbau in den Fünfziger- und Sechzigerjahren nicht mitgemacht“, sagt Zahel. Seit 1930 wird der Betrieb als reiner Weinbaubetrieb geführt, und seit jeher war naturnahe Bewirtschaftung das Unternehmensprinzip.

„Stattdessen haben sie auf natürliche Düngung, Nützlingsschutz und viele weitere Dinge geachtet, viele Jahrzehnte bevor das Thema Bio zum Vermarktungskriterium geworden ist. Damit haben meine Großeltern gewissermaßen den Grundstein dafür gelegt, dass wir heute das einzige demeterzertifizierte Weingut in Wien sind.“

Biodynamischer Weinbau nach Demeter-Kriterien: Das bedeutet völligen Verzicht auf synthetischen Dünger, auf chemische Pflanzenschutzmittel und auf jede Art von künstlichen Zusatzstoffen, wie es das bereits seit 1924 bestehende erste Konzept für Bio-Landwirtschaft vorschreibt, das zugleich auch als erstes verbindliche Richtlinien für den Weinbau entwickelte. Begründet wurde es übrigens ebenfalls von einem Österreicher, dem Philosophen und Begründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner. Dieser Philosophie zufolge bewirtschaften die Zahels ihre Reben mit viel Pflege, Gefühl und Handarbeit streng biologisch, mit speziellem Kompost und artenreicher Begrünung in jeder Weingartenreihe im Interesse der Biodiversität. Und am Ende der Reihen werden zur Förderung der Nützlinge Obstsorten und Rosen gesetzt – ein Grund dafür, warum der in den Zahel-Lagen in Mauer, Oberlaa, Neustift am Walde, Sievering und am berühmten Nussberg häufig vorkommende Schmetterling schon lange zum Markenzeichen des Weinguts geworden ist.

WEINGUT ZAHEL: ALS EINZIGER WIENER WINZER IN ALLEN WEINBAUZONEN DER STADT ZU HAUSE.

Ein weiteres Markenzeichen des Hauses ist der heute wieder höchst trendy gewordene Wiener Gemischte Satz, wie er schon seit Jahrhunderten in Wiens Weingärten gedeiht, den Alexanders Onkel Richard allerdings erst 1989 als eigene Bezeichnung auf eine Weinflasche klebte. Damals umfasste das Weingut knapp einen Hektar Weingarten und einen als echte Wiener Institution bekannten Heurigen. Heute bewirtschaftet Zahel als einziger Wiener Winzer Weingärten in allen Weinbauzonen der Stadt auf knapp 30 Hektar Rebfläche. 

Und da der Wein nicht nur in den Weinbergen alleine entsteht, tüftelt der Chef persönlich mit großer Leidenschaft tage- und auch nächtelang im Keller an der Perfektion: Langer Maischekontakt und die Vergärung mit Naturhefen kennzeichnen seinen Stil, um die Struktur und auch die Individualität des Weins zu erweitern. Der internationale Erfolg gibt seiner konsequenten Linie recht, denn mit Spitzenprodukten wie z. B. seinem Bio Antares Grande Reserve aus 70 % Sankt Laurent, 20 % Rotburger, 5 % Cabernet Sauvignon und 5 % Merlot von der Riede Kadolzberg oder seinem Pinot Noir Dolomitkalk ist es Alexander Zahel gelungen, nicht nur alleine den hervorragenden Ruf österreichischer, sondern vor allem auch der Wiener Weine international zu festigen.

Domäne Wachau

regionale Klassik, naturbelassen neu interpretiert

Die begeisternde Fülle und Sortenvielfalt eines der besten Weinbaugebiete Österreichs in einem Weingut vereint: Das ist die Domäne Wachau in Dürnstein, die sich als größter Weinbaubetrieb der Region zu einem der bedeutendsten Weingüter Österreichs entwickelt hat. 

Herkunftstypische Wachauer Weine, die in Kleinstparzellen auf den steilen Terrassen entlang der Donau gedeihen und von 250 Winzerfamilien in aufwendiger Handarbeit bewirtschaftet werden, prägen den Stil des Hauses. Weltberühmte Rieden wie Achleiten, Kellerberg und Singerriedel sind nur stellvertretend für die Fülle an Top-Lagen an beiden Donauufern, die vom Loibenberg in der Ostwachau bis zum Tausendeimerberg in Spitz reichen. Zudem wird das Weingut von der Expertenjury von World’s Best Vineyards unter den besten Weingütern der Welt gelistet und ist als prominenter Hüter und Botschafter der traditionellen Wachauer Weinkultur in aller Welt bekannt. 

Bei aller Verpflichtung zur Tradition geht allerdings auch die Domäne Wachau neue und innovative Wege, wenn es um Bio-Qualität beim Wein und zugleich auch um neue Weinstile geht: „Biologische Bewirtschaftung ist heute ein äußerst wichtiges Thema bei uns, erzählt Weinakademiker Florian Ortner, der bei der Domäne Wachau für den Vertrieb in Ostösterreich sowie für den Export zuständig ist. „Allerdings bedeutet dies in unserem Fall eine sehr umfangreiche Aufgabe, denn mit 400 Hektar bewirtschaften wir immerhin rund ein Drittel Anbaufläche der Wachau. 120 Hektar davon sind bereits auf biologische Bewirtschaftung umgestellt, der Rest ist in Umstellung, was allerdings mit großen Herausforderungen verbunden ist. Denn die Wachau ist eine Lage mit ganz besonderen Eigenschaften. Die Bio-Umstellung auf den steilen, bis zu 600 Meter hohen Steinterrassen ist daher hier deutlich zeitaufwendiger als beispielsweise in flacheren Lagen wie dem Weinviertel oder dem Mittelburgenland.

„Wir wollen einen neuen Blickwinkel auf die Wachau eröffnen und klassische Weinthemen in innovativer Weise neu definieren."

Zurück zur Natur lautet das Motto allerdings nicht nur am Weinberg, sondern auch in der Flasche – mit einer neuen Serie limitierter Trendprodukte, die unter dem Titel Backstage für Weine abseits der klassischen Wachauer Stile stehen, die allerdings die regionale Tradition als Basis keineswegs außer Acht lassen: „Unsere limitierten Backstage-Weine sind speziell für trendbewusste und experimentierfreudige Weingenießer und Weingenießerinnen konzipiert, die für neue Weinstile offen sind – und natürlich auch für die Hipster-Weinszene, die gerade im Bio- und Natural-Wine-Sektor laufend neue Überraschungen sucht“, sagt Florian Ortner. 

„Die Serie umfasst mittlerweile zehn verschiedene Weine, die alle einerseits aus typischen Wachauer Rebsorten gekeltert und damit in Hinblick auf ihren Ursprung sehr klassisch sind. Allerdings sind sie äußerst naturbelassen, spontan vergoren und in alternativer Weise ausgebaut: in Amphoren, im Betonei, im Marmor- oder Granitfass und der Rosé im kleinen Holzfass. Einige dieser Weine sind auch unfiltriert und, wie z. B. unser Müller-Thurgau Extrem oder der Riesling Amphora, auch völlig ungeschwefelt oder nur sehr gering geschwefelt, wie der Grüne Veltliner Steinwerk aus dem Marmorfass. Wir wollen damit einen neuen Blickwinkel auf die Wachau eröffnen und klassische Weinthemen in innovativer Weise neu definieren.“

DOMÄNE WACHAU: DIE IN ALTERNATIVEN GEBINDEN AUSGEBAUTE „BACKSTAGE“-KOLLEKTION.


Übrigens: Auch bei weitaus weniger avantgardistischen Produkten und auch abseits von Bio-Zertifizierungen beweist die Domäne Wachau souverän ihre Rolle als eines der absoluten Top-Weingüter des Landes, und das insbesondere auch auf dem internationalen Parkett. Besonders stolz ist Florian Ortner deshalb auf die jüngsten Parker-Bewertungen der Domäne Wachau auch bei bewährten Klassikern: „Zwei unserer Federspiele sind soeben mit 94 bzw. 95 Parker-Punkten bewertet worden – eine Höchstbewertung, die für Federspiel bislang absolut beispiellos war und die uns ganz besonders freut. 

Und auch ein durchaus preisgünstiges, hervorragend als Alltags- und Trinkwein geeignetes Produkt wie unser Riesling Federspiel Tausendeimerberg 2021 wurde soeben mit 93 Parker-Punkten prämiert. Ein wirklich schönes Kompliment für diesen wunderbaren Traumjahrgang aus unserem Haus, der eindrucksvoll beweist, dass auch absolute Spitzenweine keineswegs eine Frage des Preises sein müssen.“

Gerhard & Brigitte Pittnauer

Trendsetter wider Willen

Dass man über den Jahrgang 2021 noch lange sprechen wird, bestätigt auch Brigitte Pittnauer aus Gols, die sich mit ihrem Mann Gerhard als Weingut Pittnauer schon seit Langem mit so manchem veritablen Kultwein aus biodynamischem Anbau einen klingenden Namen gemacht hat. 

Mit ihrer Weinlinie Dogma, deren Namen sie aus der eigenwilligen Philosophie des Filmemachers Lars von Trier entlehnt haben, bekennen sich die beiden zu absolutem Purismus: Der Wein soll möglichst so belassen werden, wie er im Garten wächst, ohne jede Zugabe von Schwefel, Filtration oder Schönung, und auch der Verzicht auf Enzyme, Reinzuchthefen oder massiven Holzeinsatz ist für die beiden Mitbegründer der Pannobile-Gruppe schon lange eine Selbstverständlichkeit. 

Damit sind sie, ohne es zu wollen, zu absoluten Trendsettern in der österreichischen Weinbauszene geworden – den Moden und Trends wollten sie ja eigentlich nie folgen, sondern, wie man so schön sagt, immer ihr ganz eigenes Ding durchziehen. Und dieses ganz eigene Ding bedeutet: Weine, die vor Charakter, Individualität und Lebendigkeit geradezu sprühen, das aber nie in vorlauter Weise, sondern stets mit wohldosierter Zurückhaltung. „Wir machen unsere Weine ganz einfach so, wie sie uns selbst schmecken“, sagt dazu Brigitte Pittnauer. 

„Wichtig ist mir dabei, dass sie Balance und Eleganz haben. Und dazu ist es auch nötig, dass sie mit nicht zu viel Alkohol und Tannin daherkommen und mit einer gewissen Leichtigkeit und Unbeschwertheit – ganz so, wie ja auch das Leben sein soll.“ Den Kleinkunstwerken in der Flasche merkt man übrigens sowohl in puncto Inhalt als auch beim Etikettendesign an, dass Gerhard Pittnauer in seiner Jugend auch einmal die Idee hegte, Künstler zu werden. Obwohl die Legende manchmal auch berichtet, dass er ja eigentlich als Kind Tankwart werden wollte, „weil die immer die Coolsten im Ort waren“.

„Die Biodynamik denkt ja in sehr logischen, natürlichen Kreisläufen und Zusammenhängen: Energie geht nicht verloren, und je nach der Dosierung und der Art der Energie, die man in den Wein hineinsteckt, schmeckt er dann auch.“

Dieser Leidenschaft, Weine zu machen, die zuallererst einem selbst schmecken müssen, ist beispielsweise der aus Blaufränkisch gekelterte Rosé König von Pittnauer zu verdanken. Denn eigentlich wollte Gerhard Pittnauer ja nur einen erfrischenden Rosé für den eigenen Keller kreieren, doch leider schmeckte der auch vielen Freunden und Freundinnen gut, weshalb er dann auch in größeren Mengen den Weg in den offiziellen Verkauf fand. „Blaufränkisch hat genau die Säure und Würze, die ein Rosé unserer Meinung nach braucht“, erklärt Brigitte Pittnauer. „Der Rosé König ist unser am frühesten geernteter Rosé, im Gegensatz z. B. zu unserem am spätesten geernteten Dogma Rosé, der in der Amphore ausgebaut wird. Deshalb ist er besonders frisch und knackig und passt extrem universell zu Fisch, Sushi, asiatischer Küche und vielem mehr, da er sich nirgendwo zu sehr aufdrängt.“

Hervorragend für den Einstieg in das Pittnauersche Bio-Weinuniversum ist beispielsweise auch die aus Zweigelt und Blaufränkisch gekelterte Cuveé Pitti geeignet: „Der Zweigelt bildet die Basis, die den Wein rund und füllig macht, der Blaufränkisch sorgt für Würze, Säure und Spannung. 2020 war ein hervorragendes Rotweinjahr, deshalb sollte man unbedingt auch den Zweigelt Heideboden desselben Jahrgangs probieren – ein Bilderbuch-Zweigelt, der genau so geworden ist, wie ich mir einen perfekten Zweigelt vorstelle, und er ist ein optimaler Begleiter z. B. zu klassisch österreichischer Küche.“ 

Auch der Blaufränkisch Heideboden 2019 sei einer der besten Jahrgänge, der je bei Pittnauer in der Flasche war, freut sich Brigitte Pittnauer – dem Stil des Hauses entsprechend, präsentiert auch er sich in puncto Tannin und Säure eher zurückhaltend, „weil wir die Maische kaum und nur sehr sanft bewegen und darauf achten, nicht zu viel aus ihr herauszuholen. Damit ist auch unsere Philosophie des Weinmachens recht gut erklärt, denn die Biodynamik denkt ja in sehr logischen, natürlichen Kreisläufen und Zusammenhängen: Energie geht nicht verloren, und je nach der Dosierung und der Art der Energie, die man in den Wein hineinsteckt, schmeckt er dann auch.“

Und wem zum Abschluss und bei aller Eleganz doch eher nach einem Kraftlackel aus dem Hause Pittnauer zumute ist, für den ist der Red Pitt 2019 genau das Richtige, eine Cuvée aus Blaufränkisch, Cabernet Sauvignon und Merlot: Immer noch leicht und fruchtig, „aber mit deutlich mehr Tannin durch den Cabernet Sauvignon, der ja die Tannin-Sorte schlechthin ist“, wie Brigitte Pittnauer erklärt. „Der Red Pitt ist ein absoluter Langstreckenläufer, dem man am besten noch ein Weilchen Zeit vor dem Trinken gibt. 

Natürlich ist er auch hervorragend geeignet, um ihn sofort zu entkorken, doch ich bin jetzt schon gespannt, was passiert, wenn man mal eine Flasche im Keller vergisst und sie nach zwanzig Jahren zufällig wiederfindet. Ich bin mir sicher, das Resultat ist ein absoluter Wow-Effekt – gepaart mit der Frage, wie man einen derart tollen Wein damals für nur knapp zwölf Euro kaufen konnte.“

Fotocredits: Bio Weingut Zahel Gmbh, Domäne Wachau, Weingut Pittnauer, Ingo Pertramer

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