im Sum sind nicht zufällig weltberühmt und als Botschafter der Vielfalt und Raffinesse chinesischer Küchenkunst höchst erfolgreich. Die fein ziselierten Happen, die in Südchina und speziell im Pearl River Delta der historischen Region Kanton ihren Ursprung haben, gehen auf uralte Teehäuser zurück, in denen Reisende zum Tee auch kleine Köstlichkeiten, meist gedämpft oder frittiert und in einem Bissen zu genießen, gereicht bekamen.
Aus dieser hochkultivierten Tradition aus längst versunkener Zeit entwickelten sich mit der Zeit jene lauten, lebhaften und köstlich chaotischen Speisehäuser der kantonesischen Tradition, wie man sie aus Hongkong und Guangzhou, aber auch aus New York und San Francisco, aus London und Paris kennt: große, oft mehrere hundert Sitzplätze umfassende Restaurants, in denen pausenlos Wagerln mit dampfenden Bambuskörben zwischen den Tischen herumgeschoben werden, man sich mal von diesem und dann von jenem geben lässt und irgendwie nie mehr aufhören will zu essen.
So ein Ort ist das Hey Dim Sum Gallery in der Strozzigasse nicht. Das elegante Restaurant mit dem bezaubernden Hofgarten hat zwar richtig viele Dim Sum ganz verschiedener Bauart im Programm, man bestellt sie aber ganz normal beim Service und lässt sie frisch und à la minute zu Tisch bringen. „Natürlich ist ein klassisches Dim-Sum-Speisehaus eine reizvolle Idee“, sagt Chen Junwei, der Gründer und Betreiber von Hey Dim Sum Gallery, „aber das kann nur an Orten funktionieren, wo diese Art zu genießen Tradition hat und man die Köstlichkeiten im großen Stil an die Kundschaft bringen kann.“ Wien hat sich in den vergangenen Jahren zwar zu einem echten Hotspot für hochqualitative chinesische Küche entwickelt – speziell die viel gepriesene, aber auch sehr scharfe Sichuan-Küche ist durch mehrere Meister repräsentiert –, eine auch zahlenmäßig entsprechend starke Expat-Community, wie sie die Chinatowns anderer Städte für sich reklamieren können, gibt es in der Bundeshauptstadt allerdings nicht.
„Ich spreche meinem Koch stets Mut zu, originalgetreu zu kochen und laufend zu probieren, welche Kreationen seiner Küchentradition bei unseren Gästen gut ankommen. Es gehört Mut dazu, aber es macht unheimlich viel Freude!"
So konzentriert sich der Fokus im Hey Dim Sum Gallery mindestens so auf experimentierfreudige heimische Gourmets wie auf Wiener Chinesen und Chinesinnen. Mit Chefkoch Lu Jin, der gemeinsam mit Küchenchef Zhang Zhisei die Küchenleistung verantwortet, hat das Lokal einen echten Spezialisten für Kanton-Küche an Land ziehen können. Die Küche Hongkongs und Guangzhous ist sanfter gewürzt als jene Sichuans, dafür wird auf Ausgewogenheit, den zarten Geschmack der Grundprodukte und die Kunstfertigkeit der Ausführung besonderes Augenmerk gelegt. Lu Jin ist in Guangzhou geboren und seit seinem 18. Lebensjahr Koch, darunter auch in einigen der herausragendsten Restaurants seiner Heimatstadt. Den heute 50-jährigen Meister nach Österreich zu lotsen, war angesichts strenger Visa-Bestimmungen, die Meisterköche nicht als Schlüsselarbeitskräfte anerkennen, auch mit Glück verbunden.
Den klassisch glasierten und nach kantonesischer Cha-Shao- (auch Cha-Siu-)Art gegrillten Schweinebauch vom Duroc wird man auch in Hongkong nur an ganz wenigen Adressen so gut verkosten können, eine echte Offenbarung: In dünne Scheiben gesäbelt und zu einem hübschen Hügel aufgeschichtet, entwickelt er so edel fetten, süß-würzigen Schmelz, dass man den ganzen Berg am liebsten für sich alleine haben will.
Bei den Dim-Sum sind die knusprigen Hendlrollen so ein Fall: Fast wienerisch mit Bröseln panierte Torpedos, außen knusprig, innen würzig, sehr fragil und unverschämt saftig gebaut – richtig tolle Krokette. Shao Mai mit XO-Sauce sind außen duftig zarte Teiggebilde, innen deftig mit Schwein gefüllt, fantastisch dicht und vom Umami getrockneter Meeresfrüchte schillernd gewürzt. Ha Gao, mit ganzen Shrimps gefüllt, bekommen leuchtorangenen Fischrogen auf den zarten Schleier aus Reisteig gepackt. You Tiao, als Brotstangen auf der Karte dramatisch unterverkauft, demonstrieren mit Leichtigkeit und fantastisch luftiger Knusprigkeit, dass sie den Germteig im ganz Fernen Osten mindestens so draufhaben wie unsere vielgerühmten böhmischen Mehlspeisköchinnen.
Frittierte Rettichküchlein sind mit getrockneten Meeresfrüchten aromatisiert, außen herrlich knusprig, innen cremig und in der Kombination mit wokgebratenen Paprika herrlich bekömmlich. So geht es dahin, eine Köstlichkeit jagt die andere, und es kann durchaus passieren, dass man sich in einen kleinen Rausch des Glücks hineinisst. „So soll es sein“, sagt Lu Jin, „unser Essen ist dafür gekocht, glücklich zu machen.“
Herr Chen, Sie betreiben schon seit vielen Jahren ein China-Restaurant in Neulengbach, wo vergleichsweise konventionelle Küche serviert wird, wie man sie in Österreich seit Jahrzehnten als chinesisch zu kennen meint.
Die Vielfalt und Authentizität chinesischer Regionalküchen hat in Wien seit Jahren stark zugenommen. Diesen erfreulichen Trend wollte ich unterstützen – und endlich auch ein zeitgemäßes kantonesisches Restaurant nach Wien bringen.
Ich würde mich freuen, wenn chinesische Küche auch in Österreich in ihrer ganzen Qualität erfahrbar wird. Ich spreche meinem Koch stets Mut zu, originalgetreu zu kochen und laufend zu probieren, welche Kreationen seiner Küchentradition bei unseren Gästen gut ankommen. Es gehört Mut dazu, aber es macht unheimlich viel Freude!
Wien ist ein attraktiver Arbeitsplatz für chinesische Spitzenköche und -köchinnen. Aber wir haben wirklich viel Glück gehabt, dass wir eine Arbeitsgenehmigung für Lu Jin bekommen haben. Es sind sehr viele Parameter, die passen müssen – einfach ein sehr guter Koch zu sein, reicht dafür nicht. Wir haben jahrelang gearbeitet, bis es geklappt hat.
Hey Dim Sum Gallery
Strozzigasse 36
1080 Wien
Fotocredits: Anna Niederleitner