Vor knapp einem halben Jahr sind Sie bei METRO als Nachfolgerin von Thomas Rudelt als Mitglied der Geschäftsführung bei METRO Österreich eingestiegen und verantworten den Einkauf und das Supply Chain Management des Unternehmens. Wenn Sie auf die letzten Monate zurückblicken: Was waren bisher Ihre positivsten Erfahrungen bei METRO? Und welche Herausforderungen werden Sie in Zukunft besonders beschäftigen?
Das war zum einen, dass wir im Rahmen des Zusammenschlusses von METRO und AGM seitens METRO Österreich wirklich mit absolut offenen Armen empfangen wurden. Wir haben es geschafft, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowohl im Team als auch in der Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen sehr gut zu integrieren – und das in ziemlich bewegten Zeiten, da wir neben den Herausforderungen des Zusammenschlusses auch zusätzlich noch die unangenehmen Nachwehen einer Cyberattacke zu bewältigen hatten, die uns bei METRO im Herbst 2022 getroffen hat.
Umso mehr freue ich mich darüber, dass wir es bei METRO und AGM gemeinsam tatsächlich geschafft haben, unserem Motto und unserer Aufgabe voll und ganz gerecht zu werden: unseren Kundinnen und Kunden das beste beider Welten zu bieten und dafür zu sorgen, dass wir wechselseitig von unserem jeweiligen Know-how profitieren. Und in Zukunft wird uns vor allem die Herausforderung beschäftigen, die besondere HoReCa-Kompetenz von METRO noch besser hervorzukehren und zu stärken und dabei noch näher an unsere Kundinnen und Kunden heranzurücken. Darin sehe ich auch meine ganz persönliche Herzensaufgabe. Denn ich habe meine Karriere in jungen Jahren ursprünglich in der Gastronomie begonnen und kann daher umso mehr mitfühlen, was unsere Gastrokundinnen und -kunden tatsächlich brauchen.
Das gilt gerade in bewegten Zeiten wie diesen umso mehr, in denen Gastronomie und Tourismus mit den verschiedensten Herausforderungen zu kämpfen haben, von den späten Auswirkungen der Corona-Krise bis zu Inflation, Preisexplosion oder den Folgen des Ukrainekonflikts. Und wenn man berücksichtigt, dass die Gastronomie- und Tourismusbranche mit derzeit über 150 Millionen Nächtigungen pro Jahr einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Österreichs ist und wir zu den führenden Gastrogroßhändlern des Landes zählen, bedeutet das eine besonders große Verantwortung.
Wo haben Sie selbst Ihre Karriere in der Gastronomiebranche ursprünglich gestartet?
Ich habe meine Laufbahn ursprünglich in den Tourismusschulen Salzkammergut in Bad Ischl begonnen und dann meine Ausbildung u. a. durch mehrere Praktika in den weithin bekannten Fünf-Hauben-Gastronomiebetrieben der Familie Döllerer in Golling fortgesetzt – eine Erfahrung in meiner Jugend, die mich bis heute sehr beeindruckt hat, da ich schon damals viel über Andreas Döllerers große Liebe zur regionalen österreichischen Alpinküche gelernt habe. Später hat es mich dann ins Ausland gezogen, ich habe an der University of San Francisco Supply Chain Management studiert und bin dann für längere Zeit in die technische Branche gewechselt; u. a. habe ich einige Jahre für einen großen internationalen Elektronikkonzern in Kanada gearbeitet.
Zwischendurch war ich auch in Italien und in England tätig und habe eine große Vielfalt an internationalen Erfahrungen in den Bereichen Procurement, Category Management und Strategic Sourcing gesammelt. Zurück in Österreich bin ich dann in die Lebensmittelbranche eingestiegen, zuerst beim österreichischen Gewürzhersteller Wiberg, dann bei ADEG als Leitung des Category Managements und schließlich als Head of Purchasing bei AGM, was mich schließlich im Rahmen der Übernahme von AGM zu METRO Österreich gebracht hat. Ich bin also schon ein wenig in der Welt herumgekommen, ehe nun die Welt von METRO zu meiner neuen Aufgabe geworden ist (lacht).
Welche wichtigen Erkenntnisse haben Sie aus Ihrer gastronomischen Erfahrung für Ihre heutige Tätigkeit als Hauptverantwortliche für den Einkauf und die Lieferketten bei METRO gewonnen? Und was ist aus Ihrer persönlichen Sicht heute für Gastronominnen und Gastronomen besonders wichtig?
Die Aufgabe von Gastronominnen und Gastronomen ist heute weitaus komplexer geworden, als sie es früher war. Die Zeiten, in denen man als Gastronomin bzw. Gastronom im Grunde nur gutes Essen, guten Service und gute Preise bieten musste, um erfolgreich zu sein, sind längst vorbei. Um sich von der Konkurrenz wettbewerbsfähig abzuheben, muss man stattdessen als Gastronomin bzw. Gastronom ebenso wie als Großhändler heute entscheidende Mehrwerte liefern, denn das Schnitzel in derselben Qualität bietet vielleicht auch der Wirt oder die Wirtin im nächsten Ort, und so manche Produkte und Marken aus dem METRO Sortiment sind natürlich auch bei unseren Mitbewerbern erhältlich.
Den entscheidenden Unterschied macht allerdings das umfangreiche und genaue Wissen über unsere Produkte, das wir mit unserer großen Beratungskompetenz an unsere Kundinnen und Kunden weiterreichen können. Wenn z. B. ein Gastronom seinen Kundinnen und Kunden persönlich oder auf der Speisekarte genau erklären kann, von welchen Produzenten er seine Produkte bezieht, welche interessante Geschichte dahintersteckt, weshalb er sich für genau diese Produkte entschieden hat und weshalb sie optimal zu seiner Küchen- und Unternehmensphilosophie passen, so hat er einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Mitbewerberinnen und Mitbewerbern, die das nicht tun.
Neben diesem großen Produkt-Know-how kommt bei METRO noch ein weiterer entscheidender Faktor hinzu, mit dem wir unsere Kundinnen und Kunden unterstützen. Denn Kundinnen und Kunden gewinnt und überzeugt man nicht nur, indem man ihnen ein gutes Produkt verkauft, sondern vor allem auch, indem man Probleme für sie löst. Deshalb verstehen wir uns heute als umfassender Problemlöser und unterstützen unsere Kundinnen und Kunden bei einer Vielfalt an wirtschaftlichen und unternehmerischen Themen, wie z. B. Kosten- und Kalkulationsfragen, Energiekostensenkung oder auch Fragen des Mitarbeitermanagements und der Dokumentation mit digitalen Tools wie HORECA Hero oder DISH. Ein weiteres Problem, mit dem Gastronominnen und Gastronomen heute konfrontiert sind, ist der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Hier unterstützen wir unsere Kundinnen und Kunden vor allem durch küchenfertige Produkte im High-End-Bereich – etwa Gemüse oder Fleisch, die bereits entsprechend vorgeschnitten sind –, die viel an Vorbereitungszeit sparen und damit den Arbeitskräftemangel zum Teil wieder ausgleichen können.
„Wir wollen unseren Kundinnen und Kunden Mehrwert im großen Stil bieten.“
Letztlich ist es unser Ziel, unseren Kundinnen und Kunden nach dem Motto „Alles aus einer Hand“ ihr Arbeitsleben so einfach und vorausschauend planbar wie möglich zu machen, passend zu ihrem Betrieb und passend zu ihren Anforderungen. Eine Skihütte in einer alpinen Region hat nun einmal völlig andere Erfordernisse als ein Haubenrestaurant in der Stadt, deshalb beraten wir unsere Kundinnen und Kunden auch kompetent bei der Zusammenstellung ihres Angebots und zeigen ihnen besondere Möglichkeiten und Alternativen bei Produkten auf, die preislich und qualitativ besonders gut zu ihnen passen. Darüber hinaus betrifft unser Prinzip „Alles aus einer Hand“ keineswegs nur die große Breite und Tiefe unseres Sortiments, es umfasst auch viele unserer Serviceleistungen wie beispielsweise unser Lieferservice, bei dem wir Lieferungen effizient nach einem Baukastensystem zusammenfassen, mit unseren Staffelpreisen individuelle, wirtschaftliche Warenkörbe für unsere Kundinnen und Kunden zusammenstellen und selbstverständlich auch besondere Wünsche bei den Lieferzeiten berücksichtigen können, wo immer es möglich ist.Zusammengefasst geht es uns als Großhandelspartner vor allem darum, unseren Kundinnen und Kunden keine kleinteiligen, vereinzelten und gelegentlichen Vorteile zu bieten, sondern Leistungen und Produkte zu großen, besonders vorteilhaften und dauerhaften Paketen zu bündeln, die sie langfristig und verlässlich nutzen können – denn davon profitieren sie am meisten und am nachhaltigsten bei so kritischen Themen wie der Wirtschaftlichkeit und der Planbarkeit.
Da Sie zuvor den besonderen Mehrwert angesprochen haben, den METRO seinen Kundinnen und Kunden mit besonderem Produktwissen und großer Beratungskompetenz bietet: Welche Vorteile bietet dies vor allem beim mittlerweile so wichtigen Storytelling bei Zutaten und Gerichten, das zum unverzichtbaren Marketinginstrument für Gastronominnen und Gastronomen geworden ist – und inwiefern haben sich die Storys über Produkte und ihre Herkunft heute geändert? Früher galt es ja insbesondere in der gehobenen Gastronomie als Statussymbol, wenn Produkte so global, exotisch und ausgefallen wie möglich waren und aus fernen Ländern geliefert werden mussten. Heute hingegen besinnt man sich wieder gerne der nachhaltigen Regionalität und findet die besten Storys und Produkte wieder gerne im eigenen Land und vor der eigenen Haustür.
Bei diesem Thema erinnere ich mich wieder sehr gerne an meine einstigen Praktikumszeiten bei der Familie Döllerer in Golling. Denn Andreas Döllerer hat schon vor bald zwanzig Jahren als einer der ersten heimischen Pioniere begonnen, die Philosophie seiner „Cuisine Alpine“ zu entwickeln, mit der er zum Wegbereiter für die Rückbesinnung auf die kulinarischen Qualitäten der österreichischen Alpin- und Heimatregionen wurde. Da ich selbst aus Salzburg stamme, fällt mir auch Vitus Winkler dazu ein, der in seinem Sonnhof im Pongau eine sehr konsequente, der Salzburger Region verbundene und dennoch sehr kreative und eigenständig-avantgardistische Küchenlinie pflegt und der genauso wie ich überzeugtes Mitglied des Slow Food Convivium Salzburg ist
Köche wie er stehen für mich stellvertretend für eine neue, junge Generation der Gastronominnen und Gastronomen in Österreich, die einen großen und sehr positiven Wertewandel mit sich bringen, was die heimische Genusskultur betrifft. Man merkt das schon an diesen wunderbaren Begriffen, die nun auf den Speisekarten vermehrt auftauchen, wie z. B. „Almochse“ oder „Alpengarnele“, in denen ebenso wunderbare Geschichten über ihre Herkunft stecken und die als regionale Produkte mit kurzen Transportwegen nur geringe CO2-Fußabdrücke in der Wertschöpfungskette hinterlassen. Das Schöne an dieser Entwicklung ist für mich, dass damit auch wieder alte, nachhaltige Traditionen, die schon unsere Großeltern gepflegt haben, erneut sehr aktuell und wertvoll werden: das Einlegen und Konservieren, das Fermentieren und ganz generell wieder der große Trend zum Haus- und Selbstgemachten.
Und besonders schön finde ich, dass das Zusammenwachsen der beiden Welten zweier Großhändler bei vielen Themen sehr stimmig zu diesem Trend passt und uns hier noch mehr Möglichkeiten eröffnet und unsere Kompetenzen multipliziert: So ergänzt sich beispielsweise das große METRO Know-how bei regionalen Rindfleisch- und Milchprodukten aus dem Salzburger Biosphärenpark „Reine Lungau“ ideal mit dem regionalen Markenprogramm „Österreichisches Alpenvorland Rind“ der AGM. Ein weiteres gutes Beispiel ist die hohe regionale Produktkompetenz von AGM bei regionalen Bio-Produzenten aus Vorarlberg. Von diesem besonderen und sehr beliebten „Ländle-Schwerpunkt“, den AGM mitbringt, kann wiederum METRO sehr profitieren.
Und so sind wir gerade gemeinsam dabei, unsere jeweiligen Bundesländerstärken weiter auszubauen: Wir kooperieren etwa mit der bäuerlichen Vermarktungsgesellschaft Kärntnerfleisch, wir machen uns für den Stier aus dem Triestingtal stark, wir legen großen Wert auf regionale Spezialitäten wie Käferbohnen und Kürbiskernöl aus kontrolliertem Anbau aus der Steiermark. Dazu kommen noch unzählige Produktthemen mehr, bei denen uns die regionale Herkunft und die Unterstützung regionaler Produzenten ein sehr großes Anliegen ist.
Das ist bei unserem großen internationalen Produktsortiment natürlich ein ebenso umfangreiches Thema für uns. Aber sehr anschaulich lässt sich diese Frage vielleicht auch in umgekehrter Weise beantworten: Wo sehen wir auf internationaler Ebene bei manchen Produkten und ihren Produktionsbedingungen ersthafte Probleme, schauen besonders kritisch hin und listen diese Produkte im Bedarfsfall auch aus, wenn sie mit unseren hohen ethischen und nachhaltigen Ansprüchen nicht vereinbar sind? Ein solches Ausschlusskriterium trifft beispielsweise aktuell bei Rindfleisch aus Brasilien zu, das wir nicht mehr in unserem Sortiment führen, da für die großen brasilianischen Rinderfarmen und ihren Flächen- und Futterbedarf illegal Regenwaldflächen gerodet werden.
Wenn es um glaubwürdige Nachhaltigkeit und Verantwortung geht, belassen wir es eben nicht bei Lippenbekenntnissen und oberflächlichem „Greenwashing“, sondern handeln streng und konsequent. Statt dem bei uns nicht mehr erhältlichen brasilianischen Rindfleisch richtet sich unser Fokus nun auf mit Gras und Getreide gefütterte Rinder aus Uruguay – und selbstverständlich, wie schon ausführlich erwähnt, verstärkt auf exzellentes Rindfleisch aus Österreich, bei dem das Umwelt- und Nachhaltigkeitsgewissen bezüglich Transportwegen, Tierwohl, CO2-Footprint, Futtermitteln und vielem mehr mit Sicherheit am allerbesten ist. Denn bei unseren Lieferketten geht es keineswegs nur darum, für unsere Kundinnen und Kunden das Allerbeste aus Österreich und aller Welt zu besorgen. Es geht vor allem auch darum, nachhaltig, wirtschaftlich und verantwortungsvoll mit- und vorauszudenken, damit Österreichs Gastronomiebetriebe gemeinsam mit uns auch in Zukunft zu den beliebtesten und erfolgreichsten bei Millionen Gästen aus dem In- und Ausland zählen. Hierfür die Stärken aus unseren beiden Großhandelswelten einzusetzen, ist mein besonderer persönlicher Ansporn.
Fotocredits: METRO Österreich, Cathrine Stukhard, Louis Hansel, Vino Li, Joerg Lehman, Georges Desrues