Zu Gast bei Ingmar Goetzloff & Florian Gintenreiter
Severin Corti

Man kann schon stutzig werden, wenn man das erste Mal im Linzer Rosso di Acqua e Sole einkehrt. Hier, im Ambiente einer Trattoria, die mit Flaschen, Gläsern und feinen Viktualien sehr dicht dekoriert ist, soll die neue Top-Adresse der Landeshauptstadt sein? Das Lokal mit der toskanischen Ausrichtung und den berühmten Steaks des italienischen Edelmetzgers Dario Cecchini gibt es nun schon viele Jahre, stets mit ausgezeichnetem Ruf in Sachen gepflegter italienischer Küche und erstklassigen Fischs, den Goetzloff zuverlässig vom Top-Händler Rungis aus dem bretonischen Atlantik holen lässt.

Aber lässige Autorenküche, täglich wechselnde Menüs, wie man sie sich auch in Wien oder München wünschen würde, und eine abgestimmte Weinbegleitung mit allem, was gut und nicht immer billig ist? Das hat sich erst vergangenen Frühling so ergeben, als der Hausherr seinen Freund Florian Gintenreiter dazu verlocken konnte, das Angebot der oberösterreichischen Hauptstadt mit echter Weltläufigkeit und unbekümmerter Leichtigkeit aufzuladen.

Gintenreiter ist Oberösterreicher und hat sich nie auf seinem Talent ausgeruht, sondern vielmehr geschaut, dass er sich dort, wo es wirklich zur Sache geht, an den Besten messen und an ihnen wachsen kann. Also Paris, also Top-Aushängeschilder der jungen Gourmetszene in der Welthauptstadt des guten Essens als Lehrmeister: Der junge Mann mit dem stets verschmitzten Lächeln bewarb sich an absoluten Top-Adressen der Bistronomie-Szene, dort, wo sich die Pariser Szene in den vergangenen 15 Jahren als Ort aufregend guten Essens neu erfunden hat. Junge Chefs, die bei den ganz Großen in die Lehre gegangen sind, aber nicht mehr mit großen Brigaden und den ewig gleichen Luxusprodukten arbeiten wollen. Sondern sich einem spontaneren Einsatz ihrer Kunst verschrieben haben, mit dem, was kleine Produzenten und Lieferanten täglich bringen, oft in kleinen Mengen – dafür umso frischer.

Im Rosso zeigt Gintenreiter den Linzerinnen und Linzern jetzt virtuos, was er in Pariser Hotspots wie Vantre oder Saturne als Souschef aus der Küche zu schießen wusste. Und es sind ebenso geradlinige wie gewagte, traumwandlerisch stimmige Kompositionen, die da plötzlich in Gehnähe zum Hauptbahnhof zu verkosten sind. „Mindestens einmal täglich“ schreibt Gintenreiter die Karte neu, wobei Traditionalistinnen und Traditionalisten auf die gewohnte Pasta, die Steaks vom Grill und diverse Carpacci nicht verzichten müssen – die alte Speisekarte wird immer mit noch vorgelegt.

Was man sich erwarten darf? Jeden Tag ein bisserl was anderes. Ganz zum Anfang kann es etwa Lammherz sein, das als Tartare mit eingelegten grünen Erdbeeren und geräuchertem Sellerie zu einem Willkommenshappen kombiniert wird. Dann Gelbschwanzmakrele von Rungis Express, vier Wochen trockengereift, die in fett-seidigen Schnitten mit gehobeltem Spargel, Maiwipfeln und Basilikumöl zum tonisierenden Luxussalat kombiniert wird. Tuna-Ravioli sind ebenfalls roh, der Fisch als Tartare in hauchdünne Scheiben vom Kohlrabi gehüllt und mit Zesten von allerhand Zitrusfrüchten, Radicchio und Buttermilchfrischkäse kombiniert – das schmeckt so fein gewebt knackig, frisch und parfümiert, wie es klingt. Dann Sardinen, entgrätet, die durch tiefschwarzen, mit Sepiatinte aufgeladenen Tempurateig gezogen, frittiert und als knusprige Kissen voll Meereswucht mit bissig saurer Dillmayo kombiniert werden.

Teamarbeit ist der Schlüssel zum Erfolg.

Zwischendurch Pasta ripiena, Brennessel-Cjarsons mit subtil zimtiger Fischsauce, mit Lammblut gebunden, so arg wie gut. Weil Rungis am Vormittag einen leinengeangelten 5-kg-Steinbutt angeliefert hat, gibt es zuerst einmal die Gräten – bzw. das herausgekratzte dazwischenliegende Fleisch –, einerseits als Crudo, mit Zirbenhonig und Apfelessig zum Eintunken, und andererseits als Tartare, der noble Schmelz nur sparsam mit Kräutern und Meeresspargel aromatisiert. Hinterher eine mächtige Schnitte vom Filet, gut drei Zentimeter hoch, mit nichts als Salzzitrone und einer abgehoben guten Creme, die Gintenreiter aus dem rohen Rogen und heißem Ochsenmark zieht. Ist wohl das Tollste an Meeresfisch, das man seit Langem im Binnenland kosten durfte – und wird, wie es sich gehört, geradlinig, mit Respekt vor der Größe des Produkts dargebracht.

Rossi di Acqua e Sole GmbH
Weingartshof 29
4020 Linz

Fotocredits: Restaurant Rosso

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