Wildviertel: So schmeckt die Freiheit aus dem Wald
Nikolaus Prokop

„Die Jagd ist der ehrlichste Zugang zum Lebensmittel“, sagt Verena Diana Rosenkranz aus tiefster Überzeugung. Deshalb hat die frühere Medien- und Kommunikationsexpertin eine neue Karriere als Jägerin im Waldviertel gestartet. Darüber hinaus hat sie mit ihrem Ein-Frau-Unternehmen „Wildviertel“ eine erfolgreiche Gourmetproduktion für feinste Spezialitäten vom Wild gegründet: beispielgebend nicht nur bei bodenständigen, handgefertigten Wilderzeugnissen, sondern auch in puncto Nachhaltigkeit, konsequenter regionaler Qualität und verantwortungsvoller Liebe zur Natur.

Es ist eine im wahrsten Wortsinn „wilde G’schicht“, die Verena-Diana Rosenkranz zu erzählen weiß. Denn vor einigen Jahren war sie noch als Pressesprecherin im österreichischen Parlament in Wien und als Journalistin bei einer Berliner Tageszeitung tätig. Die Großstadt und die Medienwelt hat sie allerdings längst gegen eine völlig neue Karriere eingetauscht. Denn heute ist sie mit ihrer Familie im Waldviertel zu Hause, im kleinen 150-Seelen-Dorf Roiten fünfzehn Kilometer südlich von Zwettl. Und ihr Job findet schon lange nicht mehr zwischen Redaktionsbildschirm und Pressekonferenz statt, sondern größtenteils mitten in freier Natur. Denn als wohl einziges Ein-Frau-Unternehmen in Österreich ist Verena-Diana Rosenkranz nicht nur als passionierte Jägerin tätig, sondern auch als Lebensmittelproduzentin mit Leib und Seele.

„Mit Wildviertel führen wir das Thema Fleischgenuss wieder zu seinen natürlichen Ursprüngen zurück. Denn ehe wir als Menschen sesshaft geworden sind und im immer größeren Maßstab Nutztiere für unsere Nahrung gezüchtet haben, haben wir nur jenes Fleisch gegessen, das wir bei der Jagd erlegt haben.“

Verena-Diana Rosenkranz

Die ebenso einfache wie überzeugende Idee, die zur Gründung ihres Unternehmens „Wildviertel“ führte: „Wenn man Fleisch genießen will, so ist die Jagd der wohl ehrlichste und natürlichste Zugang zu diesem wertvollen Lebensmittel“, wie sie selbst mit vollster Überzeugung sagt. „Denn Wild wächst frei und unter optimalen natürlichen Lebensbedingungen in unseren heimischen Wäldern auf, ernährt sich ausschließlich von dem, was Wald und Wiese an natürlicher Nahrung zu bieten haben und bringt keine der mittlerweile häufig kritisierten Probleme mit sich, die der industriellen Massentierhaltung häufig zur Last gelegt werden. Wildtiere leiden nicht unter Bewegungsmangel und unzumutbaren Lebensbedingungen auf zu engem Raum, sie werden mit keinerlei Antibiotika und problematischen Futterstoffen aufgezogen, sie kennen keinen Stall-, Transport- und Schlachthofstress, sie müssen kein Tierleid erdulden und führen ihr Leben ganz so, wie es die Natur schon seit zig Jahrtausenden vorgesehen hat.“

Von der Idee, in ihrer neuen Waldviertler Heimat den Jagdschein zu machen, bis zur Gründung von Wildviertel dauerte es freilich noch ein Weilchen. „Jägerin bin ich vor allem aus großer Liebe zur wunderbaren Wald- und Naturlandschaft geworden, die uns hier im Waldviertel ringsum umgibt, aber auch aus großer Wissbegier für die Tradition und die Zukunft der Jagd sowie das Leben der Wildtiere“, wie sie selbst sagt.

Jägerin, Unternehmerin, frischgebackene Fleischermeisterin und dreifache Mutter: Mit gutem Zeitmanagement und viel Begeisterung für Job und Familie bringt Verena-Diana Rosenkranz alles harmonisch unter einen Jagdhut.

Mit dieser Motivation bestätigt sie auch die Ergebnisse einer aktuellen österreichischen Studie des Gallup Instituts zum allmählich, aber stetig wachsenden Frauenanteil unter der heimischen Jägerschaft: Von den rund 36.000 Jagdkartenbesitzern und -besitzerinnen in Niederösterreich ist mittlerweile jede zehnte eine Frau, während gleichzeitig auch das Durchschnittsalter der Jägerinnen und Jäger sinkt. Und speziell die Frauen gaben bei der Befragung an, dass das tiefere Verständnis von ökologischen und natürlichen Zusammenhängen für sie als Motivation eine besonders große Rolle spielt, ebenso wie neue, zeitgemäße Themen der Jagdwelt, wie z. B. das Stichwort „Wildtiermanagement“.

„Ich denke, dass sich mit dem generell gestiegenen Umwelt- und Nachhaltigkeitsbewusstein unserer Gesellschaft auch das Image der Jagd mittlerweile deutlich verändert hat. Denn die Jagd an sich steht ja ganz klar für den Kern des Nachhaltigkeitsgedankens, der besagt, dass man der Natur in vorausschauender und verantwortungsvoller Weise nicht mehr entnehmen soll, als man ihr auch wieder zurückgibt“, stellt Verena-Diana Rosenkranz dazu fest. „Deshalb gehört nicht nur der Mythos von der Jagd als reines Männerhandwerk längst der Vergangenheit an. Auch das Verständnis ist im Steigen begriffen, dass es bei der Jagd ja keineswegs nur um den Schuss geht. Stattdessen stehen viel Hege und Pflege der Tiere und der Natur im Mittelpunkt, um die Lebensräume der Wildtiere zu erhalten und für einen artenreichen und gesunden Wildbestand zu sorgen. Viel Wissen und Erfahrung sind erforderlich, um dieses Handwerk professionell ausüben zu können. Und viel Verantwortung, Sorgfalt und Liebe zum Detail sind nötig, damit aus dem wertvollen Wildbestand in unseren Wäldern ebenso wertvolle Lebensmittelprodukte von Wildviertel werden.“

Die nächsten Überlegungen, die Verena-Diana Rosenkranz von der passionierten Jägerin zur ebenso leidenschaftlichen Unternehmerin und Lebensmittelproduzentin führten, reiften in ihr dann während des ersten Jahrs der Corona-Krise: „Ich denke, wir alle haben während der Corona-Jahre sehr viel dazugelernt, was unser Bewusstsein für die Herkunft unserer Lebensmittel betrifft. Und wir alle haben begriffen, wie heikel und gefährdet, aber auch wie unnötig weit und aufwendig manche der Transportwege sein können, die unsere Nahrungsmittel auf dem Weg zu uns durchlaufen. Die Begriffe Regionalität und Nachhaltigkeit haben dadurch noch weitaus mehr Bedeutung gewonnen als zuvor, und die Unternehmensidee Wildviertel vereint beides in besonders konsequenter Weise.”

„Denn für unsere Produkte müssen keine Tiere unter fragwürdigen Bedingungen gezüchtet werden und qualvolle Massentiertransporte von weither nach Österreich rollen. Stattdessen führen wir mit Wildviertel das Thema Fleischgenuss sozusagen wieder zu seinen Ursprüngen zurück: Bevor wir als Menschen sesshaft geworden sind und deshalb im immer größeren Maßstab Nutztiere für unsere Nahrung gezüchtet haben, haben wir nur jenes Fleisch gegessen, das wir bei der Jagd erlegt haben. Fleisch war daher ein seltener und besonderer Genuss, der dafür umso mehr wertgeschätzt wurde.“

Brettljause à la Wildviertel: Neben den verschiedensten zünftigen Hartwürsten dürfen dabei natürlich auch besondere Delikatessen, wie z. B. der feine, über viele Wochen hinweg sorgfältig luftgetrocknete Rohschinken vom Hirsch oder vom Wildschwein, nicht fehlen.

Mit diesen Überlegungen im Kopf startete Verena-Diana Rosenkranz schließlich im Jänner 2021 im Alleingang ihr wildes Start-up – mit dem großen Ehrgeiz, mit Wildviertel die besten Gourmetprodukte aus ausschließlich freilebendem Wild auf den Markt zu bringen und die ursprünglichsten Lebensmittel, die unsere wild- und waldreiche Heimat zu bieten hat. Gleich im Oktober desselben Jahres durfte sie dafür die Auszeichnung „Gründerin des Monats“ des Bundeslands Niederösterreich einheimsen. Zahlreiche weitere Auszeichnungen, Unternehmerinnenpreise und begeistertes Medienecho folgten, und drei bewegte und arbeitsreiche Jahre später darf sie sich heute über ein erfolgreich expandierendes kleines Wilduniversum freuen.

Ihre ebenso köstlichen wie authentischen Produkte finden im Handel genauso wie bei begeisterten Kundinnen und Kunden großen Anklang, und zu den zünftigen Wildviertel-Spezialitäten, wie etwa Rohschinken von Hirsch und Wildschwein oder diversen Wildwürsten wie z. B. Cabanossi, Salami, Jausenwurst oder Chilistangerl, kommen laufend neue spannende Ideen dazu. Etwa der sogenannte „Wilde Nadelstreif“, eine Rohwurst mit feinem Waldaroma, die in einem Mantel aus handgeschnittenen Zirbennadeln geräuchert und getrocknet wird. Oder ein vorgegarter Rehbraten „sous vide“ im Vakuumbeutel, den man – ähnlich wie etwa auch das feine Wildviertel-Hirschragout mit einem Hauch von Zartbitterschokolade – nur noch kurze Zeit erwärmen muss, um ein perfektes Wildgericht aufzutischen. Oder auch ein vorgebackener Wildleberkäse mit einer geheimen Gewürzmischung nach altem Hausrezept, der das altbewährte Thema Leberkäse auf verführerisch wilde Weise neu definiert.

Meisterliches Handwerk: Seit April dieses Jahres ist Verena-Diana Rosenkranz stolze Besitzerin des Meisterinnenbriefs für das Fleischereigewerbe und produziert ihre Produkte nun gemeinsam mit einer jungen, innovativen Waldviertler Fleischerei.

Mit ihren ebenso raffinierten wie authentisch bodenständigen Rezepten liegt Verena-Diana Rosenkranz freilich nicht nur bei Gourmets voll im Trend, die sich nach authentischen heimischen Genüssen sehnen. Auch der Umschwung bei den Ernährungsgewohnheiten kommt dem großen Erfolg von Wildviertel sehr zugute, wie sie mit Freude feststellt: „Wir merken auch bei Wildviertel, dass sich beim Thema Fleischgenuss bei den Österreicherinnen und Österreichern aktuell viel ändert. Bei so gut wie allen Fleischarten geht der Konsum spürbar zurück, da die Konsumentinnen und Konsumenten immer kritischer und bewusster werden und beim Thema Fleisch immer häufiger tierische Produkte ablehnen, die unter problematischen Bedingungen für Tier und Umwelt entstanden sind.”

„Beim Thema Wildfleisch hingegen”, stellt Verena-Diana Rosenkranz fest, „bleibt der jährliche Konsum mit ca. 0,7 Kilo pro Person in Österreich konstant gleich. Das spricht sehr dafür, dass Wild auch bei kritischen Konsumentinnen und Konsumenten gut ankommt und mit seinen nachhaltigen Vorteilen für Tier und Natur all jene überzeugen kann, die zwar auf Fleisch nicht völlig verzichten, aber bei ihrem Fleischkonsum ein gutes Gewissen in puncto Herkunft, Nachhaltigkeit, der Vermeidung von Tierleid und bester regionaler Qualität haben wollen.“

Und da Verena-Diana Rosenkranz bei allem, was sie anpackt, keine halben Sachen macht, hat sie neben der Qualifikation als Jägerin und Unternehmerin vor Kurzem auch eine dritte wichtige Fertigkeit gelernt, um ihre Wildviertel-Vision in allen Aspekten optimal abzurunden. Denn seit April dieses Jahres ist sie auch stolze Besitzerin des Meisterinnenbriefs für das Fleischereigewerbe und beherrscht damit auf höchstem professionellem Niveau von A–Z sämtliche Fertigungsschritte ihrer Wildviertel-Produkte. „Die Ausbildung zur Fleischermeisterin hat mich vor allem deswegen gereizt, da einerseits schon das fachgemäße Zerlegen der Wildtiere über das jagdliche Know-how hinaus ein spannendes Thema für sich ist. Denn ein Reh ist zwar als Huftier grundsätzlich anatomisch ähnlich gebaut wie beispielsweise ein Rind, allerdings ist der Maßstab und das Gewicht viel kleiner. Daher kommt es sehr auf fundiertes Fachwissen und die Liebe zum Detail an, um auch bei einem Wildtier zu professionell perfekten Cuts für den perfekten Genuss zu kommen.“

Und das zweite Thema, das sie an der Fleischerei fasziniert: „Ein wichtiger Teil meiner Arbeit bei Wildviertel ist nicht zuletzt auch das Erstellen der Rezepte und damit auch ein gewisses kreatives Herumexperimentieren. Mit der Ausbildung zur Fleischermeisterin habe ich nun mein Wissen und meinen Horizont sehr erweitert, was z. B. bei der Wurstherstellung alles an Ideen und Innovationen möglich ist. Denn mir ist es besonders wichtig, bei meinen Wildprodukten die besonderen geschmacklichen Feinheiten herauszuholen und für ein neues, zeitgemäßes Geschmacksbild zu sorgen, das nicht immer nur die jahrhundertealten üblichen Gepflogenheiten wiederholt. Trotzdem weiß ich jetzt beispielsweise, dass man auf manche Traditionen, wie etwa die bewährte Verwendung von Pökelsalz bei der Wurstherstellung, keinesfalls verzichten sollte, da das Pökelsalz die Wurst nicht nur haltbar konserviert, sondern auch optisch ansehnlich macht.“

I am from Austria: Alle Zutaten der Wildviertel-Spezialitäten stammen ausschließlich aus heimischen Wäldern, zubereitet wird alles nur in sorgfältiger, traditioneller Handarbeit – selbstverständlich auch die köstlichen Wildbratwürstel und Wildkäsekrainer.

„Zugleich wage ich mich mit meinem neuen Wissen jetzt aber auch umso lieber an neue Experimente heran, wie z. B. eine Blutwurst auf Wildbasis. Früher mochte ich Blutwurst ja eigentlich nicht besonders, schon gar nicht die Herstellung. Aber da man im Leben ständig dazulernt, war natürlich ausgerechnet eine Blutwurst meine Aufgabenstellung bei der Meisterinnenprüfung, die ich dann auch mit einem sehr fein schmeckenden Resultat geschafft habe. Möglicherweise wird es deshalb eventuell eines Tages auch etwas geben, woran sich wohl die wenigsten wildverarbeitenden Betriebe wagen: eine Wild-Blutwurst nach Wildviertel-Geheimrezept. Wann die Zeit dafür reif ist, möchte ich allerdings noch nicht verraten – gute Ideen und überzeugende Produkte brauchen ein Weilchen, deshalb werde ich wohl noch ein wenig herumprobieren, bis das Rezept so hundertprozentig ausgereift ist, dass es zur Wildviertel-Philosophie am allerbesten passt.“

Fotocredits: Brandingbrothers Chris Laistler, Schlossstudio Verena Pelikan

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