Sie sind seit Anfang Februar dieses Jahres der neue CEO von METRO Österreich, zuvor haben Sie METRO in Kroatien und in Ungarn als CEO geleitet. Was hat Sie eigentlich in die Welt des Handels gebracht, in der Sie bereits seit vielen Jahren tätig sind?
Thierry Guillon-Verne: Die Welt des Handels ist mir quasi in die Wiege gelegt worden, denn schon mein Vater war für ein großes französisches Lebensmittelhandelsunternehmen tätig. Ich hatte deshalb schon sehr früh Gelegenheit, in diese Welt hineinzuschnuppern. Ich war schon damals als Kind sehr neugierig, wenn mich mein Vater auf Messen oder Events mitgenommen hat und habe dort gerne die verschiedensten bunten Sticker und Pins gesammelt. Und wenn man mich gefragt hat, was ich einmal werden will, wenn ich groß bin, habe ich immer geantwortet: „Ich möchte in einem Supermarkt arbeiten.“ Nun ja, dieser Wunsch ist ja mittlerweile durchaus in Erfüllung gegangen, auch wenn METRO natürlich keineswegs ein gewöhnlicher Supermarkt, sondern ein Großhändler ist (lacht).
Der zweite wichtige Schritt in die Welt des Handels war dann mein Militärdienst in Frankreich. Denn hier hatte man die Wahl, statt 10 Monate Dienst mit der Waffe zu leisten für 18 Monate ins Ausland zu gehen und dort für ein französisches Unternehmen als Praktikant zu arbeiten. So bin ich damals bei Promohypermarkt in Deutschland gelandet, einer Tochter der damaligen französischen Promodès-Gruppe, bei der ich mich dann sechs Jahre lang Schritt für Schritt durch die verschiedensten Positionen hochgearbeitet und mein Handwerk von der Pike auf gelernt habe: vom Assistenten zum Marktmitarbeiter, dann zum Einkäufer und dann immer weiter zu Jobs mit immer größerer Verantwortung. Ich hatte dabei auch einen gewissen Startvorteil als Franzose in Deutschland, da ich zweisprachig aufgewachsen bin: Meine Mutter stammt ursprünglich aus Berlin und mein Vater aus der Bretagne. Deutsch ist meine Muttersprache, ich habe z. B. nicht nur in Paris studiert, wo ich aufgewachsen bin, sondern auch an der Universität Reutlingen in Baden-Württemberg.
„Unsere besondere Stärke bei METRO Österreich ist, dass hier im internationalen Vergleich besonders viele Spezialistinnen und Spezialisten arbeiten, die selbst zuvor in der Gastronomie tätig waren.“
Wie sind Sie dann vor rund fünfzehn Jahren bei der METRO Group gelandet? Und wo liegen nach Ihrer langen Karriere im Einzelhandel für Sie die großen Kompetenzunterschiede im Großhandel bei METRO?
Thierry Guillon-Verne: Um eine lange Story kurz zu machen: 1999 hat Promodès mit Carrefour fusioniert, wo ich dann bis 2009 tätig war, insbesondere auf den asiatischen Märkten von Carrefour in Korea, Malaysia, Singapur und Thailand und zuletzt als Senior Director Strategy Group von Carrefour. 2010 bin ich schließlich als kaufmännischer Direktor und Mitglied der Geschäftsführung bei Real Rumänien eingestiegen, die damals noch im Eigentum der METRO Group war. 2013 hat sich dann die METRO Group dazu entschlossen, die Real-Märkte in Mittel- und Osteuropa bis auf Deutschland an die französische Handelskette Auchan zu verkaufen, und ich bin als Division Manager Special Projects zu Real Deutschland gegangen.
Bei Real Deutschland 2014 wurde ich Division Manager Marketing Strategy & Eigenmarken und anschließend 2016 General Manager Sales Region West. 2020 wurden dann auch die deutschen Real-Standorte an das Investorenkonsortium SCP Group verkauft, und ich wechselte schon zuvor 2019 als CEO zu METRO Kroatien – und damit erstmals von der Welt des Einzelhandels bei Real zur Welt des Großhandels bei METRO. 2020 übernahm ich dann die Position des CEO bei METRO Ungarn – und seit Anfang 2024 bin ich nun hier in Österreich.
Der große Kompetenzunterschied im Großhandel bei METRO lässt sich aus meiner Sicht, neben den vielfältigen Qualitäten und der umfassenden Größe unseres Sortiments sowie unseren überzeugenden Services, sehr einfach auf einen zentralen Punkt bringen – und das ist die Qualität des Kundendialogs bei METRO von Profi zu Profi. Wir stehen gemeinsam mit unseren Kundinnen und Kunden ständig vor der Aufgabe, voneinander intensiv zu lernen und einander ständig noch besser kennenzulernen, um gemeinsam in herausfordernden Zeiten für die Gastronomie Tag für Tag noch besser zu werden. Im Idealfall bedeutet das eine echte Win-win-Situation: Unsere Kundinnen und Kunden zeigen uns Möglichkeiten, wie wir unseren Job noch besser machen können – und umgekehrt können wir unseren Kundinnen und Kunden zeigen, wie sie mit ihrem Unternehmen noch erfolgreicher werden können.
Sie haben im Lauf Ihrer Karriere schon viele Länder und internationale Märkte kennengelernt: Welche Besonderheiten sind aus Ihrer Sicht für den österreichischen Markt besonders kennzeichnend und worauf muss METRO bei der heimischen Gastronomie in besonderer Weise reagieren?
Thierry Guillon-Verne:
Dazu muss man sich zunächst einmal ansehen, was bei METRO Österreich etwas anders ist als in anderen Ländern. Aus meiner bisherigen Erfahrung zieht METRO in vielen Ländern insbesondere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an, die aus dem Einzelhandel zu uns hinüberwechseln. Unsere besondere Stärke in Österreich ist, dass hier im internationalen Vergleich besonders viele Spezialistinnen und Spezialisten bei METRO arbeiten, die selbst zuvor in der Gastronomie tätig waren und die dementsprechendes Know-how direkt aus der gastronomischen Praxis bei uns einbringen. Diese überdurchschnittlich hohe Konzentration an Fachleuten bei METRO Österreich, die nicht aus dem Handel, sondern aus der Gastronomie kommen, war für mich selbst eine spannende Erfahrung, als ich nach Österreich gekommen bin.
Aus dieser speziellen Eigenschaft von METRO Österreich heraus stellt sich für uns nun die Frage: Wie können wir unsere hohe Gastro-Expertise optimal zu unseren Kundinnen und Kunden hinüberbringen – und das vor dem Hintergrund, dass die Gastronomie seit rund fünf Jahren permanent im Krisenmodus arbeiten muss, mit immer wieder wechselnden Problemszenarien? Zuerst war es die Pandemie, dann der Ukrainekonflikt mit seinen wirtschaftlichen Folgen, dann kamen die Probleme bei Lieferketten und Warenverfügbarkeit hinzu, die Inflation und die Teuerung bei Energie und Waren, dann der Fachkräftemangel – in einer Branche, die mit immer wieder neuen Troubles kämpfen muss, müssen wir bei METRO umso kompetentere Troubleshooter sein und für all diese Probleme laufend gute Lösungen finden. Und das machen wir auch.
Das bedeutet allerdings, dass auch wir vor der ständigen Herausforderung stehen, uns selbst immer wieder neu erfinden zu müssen. Wir alle müssen in Zeiten wie diesen den Mut aufbringen, uns aus unserer Komfortzone herauszuwagen und uns von bequemen alten Gewohnheiten zu verabschieden, um neue Wege zu gehen. Für das Team der METRO Österreich heißt das zum Beispiel ganz konkret, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zukunft noch näher auf unsere Kundinnen und Kunden zugehen werden, um zu noch engeren Partnern zu werden und die Praxis in ihren Betrieben noch besser kennenlernen – etwa, indem sie einmal pro Jahr für eine gewisse Zeit in den Betrieben unserer Kundinnen und Kunden mitarbeiten, in der Küche genauso wie im Service oder in anderen wichtigen Bereichen. Das ist und wird in Zukunft ein sehr wichtiges Thema für uns sein.
Wenn Sie in Zukunft noch stärker als bisher hinaus zu Ihren Kundinnen und Kunden sowie hinein in ihre Betriebe gehen – welche Ideen und Maßnahmen werden dann bei METRO Österreich im eigenen Haus eine große Rolle spielen?
Thierry Guillon-Verne: Ein besonders wichtiges Thema wird für uns z. B. die Harmonisierung unserer IT sein. Beim Thema Digitalisierung war METRO Österreich zwar einerseits schon lange ein Vorreiter. Allerdings hat diese Pionierposition dazu geführt, dass in Österreich eine eigene IT-Welt entstanden ist, die nicht mehr optimal mit den Lösungen im internationalen Kreis der METRO Gruppe kompatibel sind. Da wir aber auf den internationalen Austausch innerhalb der METRO Gruppe sehr großen Wert legen und in Zukunft problemlos auf weitere bei METRO verwendeten digitalen Tools zugreifen wollen, wird diese Harmonisierung der IT-Strukturen ein Bereich sein, auf den wir besonders viel Wert legen.
Ein zweites wichtiges Thema steht für uns unter dem Dachbegriff Transformation und unter unserem neuen Motto „Wholesale to the Max“: Das bedeutet einerseits die Transformation unserer Märkte zu zukunftsweisenden Multi-Channel-Fulfillment-Centers im Großhandel und andererseits natürlich auch die Transformation unseres Sortiments. An unseren Standorten bedeutet das konkret z. B. noch mehr Klarheit und Übersichtlichkeit, um unseren Kundinnen und Kunden die Orientierung, den Vergleich und die Auswahl und nicht zuletzt auch die Preisorientierung so einfach wie möglich zu machen und ihnen wertvolle Zeit zu sparen. Unsere neuen METRO Gastro Shops liefern etwa für diese neue Klarheit und Strukturiertheit in unseren Märkten ein gutes Beispiel – und unsere Staffelpreise liefern ein ähnlich gutes Beispiel für diese neue Klarheit bei der Preisorientierung.
Dieses Prinzip der Klarheit und Vereinfachung zeigt sich z. B. auch bei diversen neuen Details in unseren Märkten, wie etwa den modernisierten Kassen, bei denen die Kundinnen und Kunden nur noch einen einzigen statt mehrerer Touchpoints vorfinden, oder bei unseren neuen Leergutautomaten, die derzeit die modernste State-of-the-Art-Lösung der Branche sind. Und last but not least prägt das Thema Vereinfachung auch unsere Services, wie z. B. unser neues METRO Smart & Easy Finanzierungs- und Subventionierungsservice in Kooperation mit Pentagast: Damit können wir für Gastronominnen und Gastronomen die Investition in neue Profi-Küchengeräte gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten wie diesen wesentlich erleichtern und unterstreichen auch hier nachdrücklich unsere Rolle als Partner und Troubleshooter.
Sie haben zuvor das Thema Transformation auch beim Sortiment von METRO angeschnitten: Welche neuen Trends werden insbesondere hier eine wichtige Rolle spielen, in welchen Bereichen wird sich METRO bei seinem Angebot wandeln, um zukunftsfit zu bleiben?
Thierry Guillon-Verne: Eine große Besonderheit in Österreich ist z. B. der Stellenwert, den Regionalität hierzulande hat. Ich selbst komme aus Frankreich, war in vielen europäischen Ländern und auch in Asien tätig, aus meiner Sicht ist es es daher wirklich bemerkenswert, wie wichtig den Österreicherinnen und Österreichern im internationalen Vergleich die regionale Herkunft von Lebensmitteln ist. Regionalität, wie wir sie etwa bereits schon seit Langem z. B. mit unserem Regionah-Sortimentsprogramm fördern, wird daher auch in Zukunft bei METRO als Trend eine große Rolle spielen.
Eine wichtige Säule wird selbstverständlich auch weiterhin verstärkt das Thema Nachhaltigkeit sein: Man spürt immer mehr, wie gut mittlerweile die Gastronomie- und Lebensmittelbranche im Nachhaltigkeitsbereich aufgestellt ist und wie sehr die Nachfrage zu diesem Thema steigt – die großen Marktchancen aus diesem Bereich liegen daher klar auf der Hand. Es freut mich auch sehr, dass das Interesse an unserer Auszeichnung „Nachhaltig Wirten“ in Kooperation mit dem Wirtshausführer von Jahr zu Jahr wächst und viele spannende Konzepte für nachhaltige Stadt- und Landwirtshäuser eingereicht werden. Auch hier ist klar zu sehen, dass sich viele Betriebe fokussieren oder eben auch „neu erfinden“ wollen. Zwei weitere Trends, bei denen die Nachfrage deutlich steigt, sind der Bereich vegane Lebensmittel und der Convenience-Bereich. In beiden Bereichen sind wir um ständige Sortimentsinnovationen bemüht, und mit unserer METRO Chef-Linie bieten wir ein ständig wachsendes Sortiment an Lösungen, die konsequent höchste Qualität mit maximaler Zeitersparnis verbinden und damit auch mithelfen, als Troubleshooter das Problem des Fachkräftemangels in der Küche zu lösen.
Ein sehr emotionales Trendthema ist auch der Bereich Frische und Ultrafrische, in den wir laufend investieren. Beim Thema Fisch hat METRO als größter Fischhändler Europas ja schon lange die Nase vorne, doch hier haben wir in Österreich erst vor Kurzem unsere eigene hohe Frische- und Qualitätskompetenz nochmals selbst getoppt: In Kooperation mit dem internationalen Seafood-Spezialisten Binca Group haben wir erst Anfang Oktober in Perschling bei St. Pölten Österreichs größtes Fischzentrum in Betrieb genommen, das als riesige, topmoderne Frischfischmanufaktur jährlich bis zu 10.000 Tonnen verarbeiteten Frischfisch ausliefern wird. Mit dieser neuen Fischplattform direkt in Niederösterreich haben wir die Transportwege für unseren Frischfisch nochmals entscheidend verkürzt und zugleich die gleichmäßige Versorgung aller METRO Großmärkte in noch größerem Ausmaß sichergestellt als bisher. Unsere weithin bekannte Position als Nummer eins bei Frischfisch ist damit auch für die Zukunft zuverlässig gesichert.
Apropos Nummer eins: Wenn Sie als weitgereister Weltbürger und genusserfahrener Franzose derzeit gerade die Speisekarten der heimischen Gastronomie kennenlernen – welches Gericht der klassischen österreichischen Küche ist aktuell Ihr ganz persönlicher Favorit?
Thierry Guillon-Verne: Bei METRO Österreich bin ich gerade sehr um eine Strategie nach dem unkomplizierten Motto „Back to the roots“ bemüht, die ganz klar auf unsere Kernkompetenzen als Großhändler fokussiert. Deshalb hat mir erst neulich in einem Kärntner Restaurant ein Gericht besonders gut geschmeckt, das auf ähnlich unkomplizierte Weise überzeugt und das, soviel ich weiß, ebenfalls zu den traditionellen Wurzeln der klassischen österreichischen Küche zählt: eine ganz einfache, hausgemachte Rindsuppe mit ebenso hausgemachten Frittaten. Denn gerade bei einem so einfachen Rezept mit so wenigen Zutaten merkt man besonders, worauf es bei Qualität wirklich ankommt: auf konsequente, geradlinige Ehrlichkeit, die man in jedem Detail mitbekommt.
Fotocredits: METRO Österreich