Zu Gast im Café Prückel
Severin Corti

Im Vorjahr kam mit dem legendären Café Prückel eines der prächtigen Ringstraßencafés in neue Hände. Die Übernahme erwies sich als Segen: Eine sensible Renovierung und kluge Pläne für die Zukunft lassen es in neuem Glanz erstrahlen.

Das Café Prückel ist so etwas wie das tatsächliche Kaffeehaus der Wienerinnen und Wiener. Wobei: Es gibt natürlich viele Wiener Kaffeehäuser, in denen die einzigartige Kultur und das Flair dieser Institution noch originär gelebt und hochgehalten wird. Aber in manchen der stilbildenden Prachtcafés am Ring und in der Innenstadt, wie dem Central, dem Mozart hinter der Oper, dem Landtmann oder Museum, fühlt man sich, der internationalen Anziehungskraft Wiens sei Dank, mitunter fremd in der eigenen Stadt. Im Prückel hingegen, das zwar sehr prominent am Stubenring, an der Ecke zum Luegerplatz, steht, sind Touristinnen und Touristen auch keine Seltenheit, aber nicht in der Überzahl. Das haben die Wienerinnen und Wiener sich erhalten können. Vielleicht liegt es ja daran, dass hier, im Gegensatz zu anderen Ringstraßencafés, keine imperialen Anklänge an die gute alte Kaiserzeit in der Architektur zu spüren sind, sondern das denkmalgeschützte Ambiente des großen Architekten der Wiener Moderne, Oswald Haerdtl, eine geradezu demokratische Luftigkeit und Pracht verströmt.

Der große Architekt Oswald Haerdtl hat das Prückel in den 1950er-Jahren in demokratischer Pracht gestaltet – jetzt wurde es neu übernommen und mustergültig renoviert.

Und eben diese Pracht wurde heuer, in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt, auf so mustergültige Weise renoviert, dass es einen beim Hereinkommen tatsächlich am Herzen rührt. Nicht etwa, weil hier etwas spektakulär anders wäre als zuvor, im Gegenteil: Die Emotion rührt daher, dass das Prückel ganz genau so ist, wie man es in Erinnerung hat – nur irgendwie noch schöner.

Die unverwechselbaren Fauteuils und Bänke mit den ikonischen Stoßfängern aus Aluminium sehen unverändert aus – sie sind aber völlig neu aufgepolstert und mit einem Stoff bezogen, der extra nach dem originalen Muster in Indien neu gewebt wurde. Keine kaputte Feder, die ins Hinterteil piekst, wenn man sich hier niederlässt – das war in den Jahren zuvor schon lang nicht mehr so!

Die wunderschönen Tischappliken in Chrom wurden, wie auch die Luster und die legendären Stehlampen mit Bambusstiel, mit feinem Gefühl für die Patina aufpoliert, die Lampenschirme im Originaldesign neu gemacht. Der alte Linoleumboden ist auf Glanz gewienert, die raumhohen, hie und da patinierten Spiegel ebenso. Und ab 18 Uhr sitzt wie seit eh und je ein Klavierspieler am Piano.

„Alles hier atmet den Geist des Echten, Unverfälschten, mit Liebe und Sorgfalt durch die Zeiten ins Heute Gebrachten“, sagt Thomas Hahn, der das traditionsreiche Kaffeehaus als Geschäftsführer gemeinsam mit Manfred Stallmajer im Vorjahr gemeinsam mit JP Immobilien und Unger & Klein von Christl Sedlar übernommen hat. „Es ist eine wirkliche Ehre, dieses Haus erhalten und weiterführen zu dürfen“, sagt er. Stammgästen ist Christl Sedlar, eine zierliche, resolute und elegante Dame, die das Haus über 60 Jahre lang führte und den Stil wie keine andere geprägt hat, natürlich noch ein Begriff. Sie war es, die eine einzigartig familiäre Atmosphäre im Prückel zu verströmen verstand, die auch den Umgang des Personals untereinander charakterisierte. Wer im Prückel in Diensten stand, der blieb hier. Und der bleibt bis heute.

„Wir haben so gut wie alle Kräfte im Haus halten können, als wir das Prückel übernommen haben“, sagt Hahn. „Manche langjährige Mitarbeiter, die schon weg waren, sind sogar zurückgekommen, als sie gemerkt haben, dass der alte Prückel-Geist noch lebt – das macht mich schon sehr froh.“ Auch bei den Mehlspeisen ist das Haus auf Kontinuität bedacht, nicht zuletzt auch, weil die Stammgäste darauf bestehen. „Es ist wirklich toll, wie viele Gäste sich bei uns melden und das Weiterbestehen der Apfel-Topfen-Schnitte oder des gedeckten Mohnkuchens mit Apfelfülle reklamieren“, sagt Thomas Hahn, „und natürlich versuchen wir, diese Wünsche zu respektieren.“

„Alles hier atmet den Geist des Echten, Unverfälschten, mit Liebe und Sorgfalt durch die Zeiten ins Heute Gebrachten. Es ist eine wirkliche Ehre, dieses Haus erhalten und weiterführen zu dürfen.“

Thomas Hahn

Die beiden Kuchen sind unverändert im Programm, gleichzeitig aber ist in der Mehlspeisenvitrine links von der offenen Küche recht deutliche Bewegung zu sehen. Das ist dem neuen Patissier Jürgen Vsetecka zuzuschreiben, der dafür im hinteren Teil des Kaffeehauses eine – noch provisorische – eigene Zuckerbäckerei installiert bekommen hat. Der Mann war schon bei Meinl am Graben, im Hotel Motto von Bernd Schlacher und zuletzt im Restaurant Kelsen am Dach des Parlaments für die süßen Seiten des Lebens zuständig.

Im Prückel ist die Prückelschnitte, eine unerhört cremige Komposition aus Haselnuss und Schokolade, sein Signature-Kuchen. Aber er hat auch schon Somloer Nockerl, so etwas wie die ungarische Version von Tiramisu, in ein prächtiges Juwel von einem Dessert verwandelt. Aber keine Sorge: Ganz traditionellen Apfel- und Topfenstrudel gibt es im Prückel wie seit je, aber auch die warmen Mehlspeisen, wie Kaiserschmarren, Millirahmstrudel oder, in der Saison, Marillen- und Zwetschkenknödel, werden nach allen Regeln der Kunst zelebriert. Die kommen zwar aus der Küche, entstehen aber unter der wachsamen Ägide des Patissiers.

In der Küche ist mit Reinhard Haas ein früherer Gerer-Schüler zugange. Die Prückel-Klassiker wie die Schinkenrolle wurden einstweilen nur sehr marginal renoviert und wirken geradezu museal in Geschmack und Anmutung. Auch sonst verbietet sich die Küche, wie es sich an einem der Tradition gewidmeten Ort wie diesem gehört, unnötige Experimente: Das Schnitzel, schulmäßig souffliert, wird mit Petersilerdäpfel und auf Wunsch auch mit Preiselbeeren serviert. Das Gulasch ist saftig, kein anämisch mageres Innenstadtexemplar, sondern kraftvoll papriziert und saftig mürb wie es gehört. Statt mit Semmel, wie sonst im Kaffeehaus üblich, wird es hier mit gebratenen Serviettenknödel serviert. Liebhaberinnen und Liebhaber der traditionellen Wiener Küche werden es hier lieben: Es gibt Fleischlaberl mit Knusperzwiebel und Erdäpfelpüree, es gibt, natürlich, Tafelspitz mit klassischen Zuspeisen, Alt-Wiener Suppentopf mit reichhaltiger Beilage – und selbst die Hühnereinmachsuppe mit Bröselknödel, ein anderswo längst vergessenes Monument der Wiener Suppenkultur, wird hier gepflegt.

Was noch nicht renoviert wurde, ist die Kaffeekultur. Während der Kaffee im Prückel dem Vergleich mit dem, was sonst in Wien serviert wird, durchaus statthalten kann, so sind Thomas Hahn und sein Co-Geschäftsführer Manfred Stallmajer doch überzeugt, dass „hier noch deutlich mehr geht. Deshalb wird die über Jahre gepflogene Kultur, dass jede Kellnerin und jeder Kellner für seine Kaffees selbst verantwortlich ist und diese auch selbst mit der Maschine zubereitet, mit der nächsten Ausbaustufe abgeschafft. Es ist an der Zeit, dass es im Prückel wieder eine eigene Kaffeeküche gibt, mit einem Barista als Fachmann, der wirklich jeden Kaffee selbst verantwortet, mit leistungsstarken Siebträgermaschinen statt der bisherigen Automaten“, sagt Hahn. Dafür wird ein Teil der Sitzmöglichkeiten geopfert. Architektonisch verantwortet Stararchitekt Gregor Eichinger sowohl die Renovierung wie auch den Ausbau.

Im Jahr darauf ist nämlich geplant, den hinteren, nicht von Oswald Haerdtl ausgestatteten Teil in eine klassische Café-Bar mit eigener Theke zu verwandeln. „Wir spüren, dass es immer mehr den Bedarf gibt, sich schnell an eine Bar zu stellen und einen Kaffee oder Aperitivo zu genießen. Das war in Italien schon immer so, hat aber auch in Wien große Tradition“, sagt Betreiber Thomas Hahn. „Während das Kaffeehaus auch weiterhin um 22 Uhr schließt, wollen wir hier bis in den späten Abend offenhalten.“ Auch diesen Teil soll Gregor Eichinger verwirklichen – unter größtem Respekt für den Spirit des Hauses, wie die neuen Pächter betonen. Wir dürfen gespannt sein – und uns freuen, dass der Geist des Wiener Kaffeehauses unter all der Patina so frisch und lebendig ist.

Kurz & bündig

Thomas Hahn ist Geschäftsführer im Café Prückel und betreibt unter anderem auch das Restaurant Labstelle am Lugeck in der Wiener Innenstadt.

Ein Wiener Ringstraßenkaffeehaus übernehmen – fühlt sich das an wie ein Lottosechser?

Thomas Hahn: (lacht) Na ja, es ist ganz unbestritten ein riesiger Glücksfall. Das Prückel hat einen ganz besonderen, wirklich einzigartigen Platz im Herzen der Wienerinnen und Wiener. Ich wollte wirklich kein zusätzliches Lokal – aber als sich plötzlich diese Chance eröffnete, konnte ich nicht Nein sagen. Das ist Verantwortung, die man mit ganz großer Freude trägt.


Wie ist es dazu gekommen?

Thomas Hahn: Christl Sedlar war hier über 60 Jahre die Chefin, sie hatte das Haus nach dem frühen Tod des Vaters als Zwanzigjährige in die Hände gelegt bekommen. Aber mit 83 Jahren wurde es ihr langsam ein bisschen zu viel. Es zeugt von Größe und Verantwortung, den richtigen Zeitpunkt zu finden für so eine Weitergabe.


Warum ist das Prückel so ein wienerisches Wiener Kaffeehaus?

Thomas Hahn: Schwer zu sagen. Wir haben um die 1.400 Gäste am Tag, da sind aber nur rund 30 Prozent Touristinnen und Touristen – im Vergleich zu anderen großen Häusern am Ring ist das wenig. Wir haben große Kontinuität beim Personal, es gibt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die seit 25 Jahren im Haus sind. So etwas schätzen die Stammgäste, und es sorgt vielleicht für dieses gewisse Etwas, ein familiäres Gefühl, das Gegenteil einer anonymen Unternehmung. Man muss hier niemanden kennen und kann sich dennoch zu Hause fühlen.

Eine große Auswahl internationaler Zeitungen gehört wie seit je zum Standard des Hauses.

Café Prückel

Stubenring 24
1010 Wien, Österreich

Fotocredits: Lukas Schaller, Roland Unger, Marcel Drabits, Videoanimation: Tina Wieser

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