Erst im Juni dieses Jahres wurde Michael Kolm beim großen Sommerfest der Niederösterreichischen Wirtshauskultur auf Schloss Grafenegg zum Top-Wirt 2023/24 unter insgesamt sechs Destinationssiegern gekürt. Sein Sieg in der Region Waldviertel ist mehr als verdient, denn diese besondere Auszeichnung der Niederösterreichischen Wirtshauskultur steht für Qualität, Regionalität, Gastlichkeit, Zukunftsfähigkeit und Innovation – all das, was auch Michael Kolm mit großer Leidenschaft in seinem Zwei-Hauben-Wirtshausrestaurant in Arbesbach verwirklicht hat.
Die beiden Begriffe »Wirtshaus« und »Restaurant« sind hier durchaus zu Recht einträchtig vereint. Denn erst vor zwei Jahren hat Michael Kolm seinen einstigen Bärenhof gleich neben dem namensgebenden Bärenwald mit großem Aufwand komplett umgebaut, modernisiert und neu gestaltet. Die stylische, von puristisch-skandinavischem Design inspirierte Einrichtung wird höchsten internationalen Designansprüchen gerecht, wie man sie eher mitten in der Großstadt und keineswegs im entlegenen Waldviertel vermuten würde. In der Mitte des Lokals wurde eine offene Feuerlounge installiert, weiter hinten ein begehbarer Weinraum, und an den Seiten sorgt ein neues, großflächiges Fensterkonzept für ein ebenso stil- wie anspruchsvolle Ambiente, gemeinsam mit speziellem atmosphärischem Lichtdesign
Auf seine Wirtshauswurzeln hat Michael Kolm trotz der beeindruckenden Modernisierung freilich keineswegs vergessen. Denn in seinem 1709 erstmals urkundlich erwähnten Familienbetrieb stehen neben heimatlich inspiriertem Fine Dining auf höchstem Niveau nach wie vor auch gerne Klassiker wie etwa Spanferkel, Reh- und Kalbsrücken oder auch Bio-Wadl vom Rind auf der Speisekarte. »Waldviertel, gewürzt mit der Welt«, hat sich Michael Kolm als kulinarisches Motto auf seine Fahnen geschrieben.
Und außergewöhnliche Gerichte wie etwa knuspriger Schweinebauch mit mediterranen Calamari oder Reisfleisch vom Almochsen mit gebratenen Garnelen beweisen, dass er die Balance zwischen regionaler Bodenständigkeit und exquisiten Ausflügen ins Unkonventionelle gekonnt beherrscht – und das nach seinen ganz eigenen Regeln. »Auf Abwege bringen, über den Geschmack verführen, den Leichtsinn wecken«, so beschreibt er seine delikaten Eskapaden, die von der Traditionsbasis des Waldviertels aus zur Entdeckung von überraschendem Neuland einladen. »Denn die Welt ist ohne Waldviertel nicht komplett, und umgekehrt genauso«, wie er es selbst formuliert.
Wunder ist dieser Mut zur verführerisch innovativen Eigenwilligkeit freilich keines, denn als Souschef im Wiener Zwei-Sterne-Tempel Mraz & Sohn von Markus Mraz und seinen Söhnen Lukas und Manuel hat er über sieben Jahre lang die hohe Kunst der absoluten Spitzenküche gleichermaßen zelebriert wie studiert. Deshalb kann man nun eine gemütliche halbe Autostunde südwestlich von Zwettl entfernt eine wahre Pilgerstätte der gehobenen niederösterreichischen Kulinarikkultur besuchen, die im stillen, dünn besiedelten und daher mit nicht allzu vielen Haubenrestaurants gesegneten Waldviertel umso leuchtender hervorsticht.
Und da Pilgerfahrten ja bekanntlich nicht nur hungrig machen, sondern auch der Rast bedürfen, hat Michael Kolm als umsichtiger Gastgeber natürlich auch hier vorgesorgt: Wer nach einem Drei- bis Sechsgangmenü und einem etwas ausgiebigeren Blick in das exzellente Sortiment des begehbaren Weinschranks Lust verspürt, über Nacht oder auch noch ein wenig länger zu bleiben, findet in den drei in ökologischer Holzarchitektur designten Lodges eine ebenso komfortable wie stilvolle Bleibe.
Da die drei Lodges in unterschiedlicher Größe jeweils wie Minibungalows konzipiert sind und mit einer durchdachten Komplettausstattung von der Kaffeebar über WLAN und Flatscreen bis zur Sitzgelegenheit (und zum Teil sogar mit eigener Sauna) aufwarten können, steht auch einem mehrtägigen Aufenthalt nichts im Wege. Denn draußen vor den großen Panoramafenstern wartet eine eindrucksvolle, wie gemalte Naturkulisse auf Entdeckungen und Erkundungen – zu Fuß, per Bike oder im Winter auch auf der Skipiste.
Nicht von ungefähr sind die Lodges daher nach den drei prägenden Naturkräften des Waldviertels »Granit«, »Feuer« und »Wasser« betitelt. Und da die Naturnähe hier nicht nur sicht- und spürbar, sondern durchaus auch hörbar ist, kann man aus dem nahen Bärenwald tatsächlich manchmal höchst urwüchsige Töne vernehmen: die Laute einer kleinen Gruppe von pensionierten Zirkusbraunbären, die sich hier im besuchbaren »Vier Pfoten«-Naturgehege unter dem fachkundigen Tierschutz von Michael Kolms Vater Gerhard Kolm genauso pudelwohl fühlen wie die Gäste im Restaurant und in den Lodges.
Wer die portugiesische Küche kennt, weiß, dass das kleine Land mit durchaus großen kulinarischen Überraschungen aufwarten kann. Zwar eilt der portugiesischen Genusskultur ähnlich wie der spanischen ein gewisser historischer Ruf voraus, ursprünglich eine eher schlichte Arme-Leute-Küche gewesen zu sein – einfache, bäuerliche Hülsenfruchteintöpfe wie die »Feijoada« oder auch Restegerichte wie die aus dem Südwesten stammende Brotsuppe »Açorda à Alentejana« erzählen eine lange Geschichte davon.
Doch zugleich war Portugal auch stets eine stolze Seefahrernation. Was Fisch- und Seafoodspezialitäten betrifft, allen voran der legendäre, eingesalzene und getrocknete »Bacalhau«-Klippfisch, der traditionell gerne mit Kartoffeln, Zwiebeln und Obers als »Bacalhau com natas« zubereitet wird, oder auch die allgegenwärtigen gegrillten »Sardinhas assadas«, herrscht also keinerlei Mangel – insbesondere an der langen Atlantik- und Algarveküste des Landes.
Hinzu kommt, dass Portugal zwar kaum größer ist als Österreich, doch mit einer umso größeren regionalen Vielfalt beeindruckt: Zwischen dem berühmten luftgetrockneten Rohschinken aus Chaves in der hoch im Norden gelegenen Region Alto Trás-os-Montes an der spanischen Grenze bis zum typischen »Cataplana«-Seafood-Eintopf der Algarve im äußersten Süden liegt eine immense kulinarische Bandbreite, die außerhalb Portugals immer noch häufig erstaunlich unerforscht ist.
Umso bedauerlicher ist es daher, dass sich in Österreich und insbesondere in Wien die Anzahl portugiesischer Restaurants nahezu an den Fingern einer Hand abzählen lässt: Neben der trendigen »Lisboa Lounge« beim Naschmarkt, dem längst zur portugiesischen Institution gewordenen »Senhor Vinho« in Margareten und dem winzigen, aber exzellenten »A Barraca« im Stadtzentrum ist die portugiesische Gastro-Community in Wien sehr überschaubar – und hat nun dennoch höchst willkommenen und durchaus originellen Zuwachs erhalten.
Denn ein Restaurant im klassischen Sinn ist das »Coração Português« von Sonia Fernandes zwar nicht unbedingt. Doch auch in der unscheinbaren Tarnung eines Vereinscafés in einem Taekwondo-Center in der Wiener Burggasse hat es ihre kleine portugiesische Genussoase durchaus in sich. Einerseits serviert sie hier in ihrer Cafeteria neben hervorragendem Kaffee und kleinen Snacks gar köstliche »Pastéis de Nata«, die für Portugal so typischen kleinen Blätterteigtörtchen mit Vanillepuddingfüllung und überaus gefährlichem Suchtfaktor.
Andererseits schlägt die echte Stunde der Wahrheit jedoch, wenn Senhora Fernandes zum Mittagsmenü bittet. Denn dann tut sich in ebenso unerwarteter wie unverfälscht authentischer Weise die ganze Fülle der portugiesischen Genusskultur auf, von kleinen Klassikern wie köstlich-knusprigen »Pastéis de Bacalhau«-Klippfischkroketten bis zu großen Momenten wie einer »Feijoada de Marisco«, die den schlichten Bohneneintopf mit einer großzügigen Ladung Muscheln und Seafood veredelt. Oder auch »Carne de Porco à Alentejana«, ein Rezept für eines der traditionellsten und beliebtesten Schweinefleischgerichte der portugiesischen Küche, das Sonia Fernandes direkt aus ihrer Heimatregion Alentejo im Süden mitgebracht hat und auch hier mit einer nicht zu knappen Muschelportionierung zubereitet.
Den schon erwähnten »Bacalhau com natas« gibt es neben vielen weiteren, ständig wechselnden regionaltypischen Spezialitäten selbstverständlich ebenfalls, für den kleinen Hunger zwischendurch werden auch kleine Tapas-Brettchen mit Chouriço, Käse und anderen kalten Köstlichkeiten serviert. Und neben typisch portugiesischen alkoholfreien Erfrischungen wie prickelnder »Sumol«-Ananaslimo oder fruchtigen »Compal«-Säften gibt es natürlich auch legendäre portugiesische Bierfavoriten wie »Sagres« oder »Super Bock« – so manche der beherzt chiligewürzten Spezialitäten benötigen schließlich auch einen kleinen Feuerlöscher.
Zu verdanken ist die kleine portugiesische Geheimtippadresse mitten in Wien-Neubau übrigens nicht nur Sonia Fernandes alleine: Vater der Idee war eigentlich Taekwondostudio-Betreiber César Valentim, ebenfalls Portugiese, der mit seinem außergewöhnlichen Mini-Kulinarikprojekt gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlug: Einerseits ein Vereinscafé für seine Besucherinnen und Besucher, das mit einem Angebot aufwarten kann, das man in Wien wohl kein zweites Mal findet. Und andererseits ein kleines genussvolles Stück Heimat, in dem Sonia Fernandes ihre vollen Talente entfalten kann – früher kochte sie nur rein privat und war beruflich als Reinigungskraft tätig – und in dem auch er selbst mit Vorliebe häufig zu Gast ist. Wer also neugierig vorbeischauen und z. B. als ersten süßen Einstieg in Portugals Genusswelt bei einem Kaffee ein paar der unwiderstehlichen »Pastéis de Nata« probieren will: Die Chancen stehen gut, dass gerade der Chef höchstpersönlich dasselbe tut.
Fotocredits: KOLM, Gerhard Wasserbauer, Javier Esteban/Unsplash