„Comfort Food“: ein Begriff, der schon lange auch in der deutschsprachigen Kulinarikwelt zu Hause ist – obwohl oder gerade weil er gar nicht so einfach aus dem Englischen zu übersetzen ist. Denn Comfort Food steht für eine große Vielfalt an genussvollen Emotionen und bezeichnet Essen, das schöne Erinnerungen weckt und Wohlbefinden und Geborgenheit vermittelt. Häufig bezeichnet Comfort Food auch Essen, das man gemeinsam genießt – oder auch gemeinsam kocht, während man z. B. bei einem Gläschen plaudernd in der Küche steht und freudig auf die Köstlichkeiten wartet, die in den Töpfen brodelnd vor sich hin köcheln oder im Backrohr zur knusprigen Vollendung garen.
Literarisch lässt sich der Begriff „Comfort Food“ bereits mehr als vierhundert Jahre zurückverfolgen, als er erstmals in einem der wohl berühmtesten Werke der Weltliteratur erwähnt wurde: in Miguel de Cervantes 1605 erschienenen tragikomischen Abenteuerroman „Don Quijote“, dessen Held, ein verarmter Adeliger, sich in die fantastischen Traumwelten längst vergangener Ritterzeiten flüchtet. Gleich zu Beginn des ersten Kapitels werden Don Quijotes Nichte und ihre Haushälterin aufgefordert, den traurigen Helden mit ihrer Kochkunst aufzumuntern und zu verwöhnen und „ihm Dinge zu essen zu geben, die tröstlich und angemessen für Herz und Seele sind“.
Populär wurde der Begriff vor allem in Kulinarik-Magazinen und Kochbüchern der 1960er- und 1970er-Jahre, als insbesondere in den USA klassische „Homestyle-Cooking“-Gerichte, wie die berühmte hausgemachte Hühnersuppe, „Mac and Cheese“ (mit Käse überbackene Maccaroni) oder auch Lasagne, Pizza und ähnliche, deftig-wärmende und sättigende Gerichte, immer häufiger als „Comfort Food“ bezeichnet wurden. Auch von Hollywood-Star Liza Minelli ist aus den 1970er-Jahren ein Interview überliefert, in dem sie einen großen, saftigen Hamburger als ihr „favourite comfort food“ bezeichnet.
Und spezielle Bedeutung bekam der Begriff erst vor Kurzem, als sich während der Corona-Pandemie Millionen Menschen während der Lockdowns in ihr Zuhause zurückzogen und dort das Kochen und Genießen in der Geborgenheit der eigenen vier Wände im kleinen Familien- oder Freundeskreis neu wiederentdeckten: Auch ein saftiges, nach einem YouTube-Videorezept erstmals selbstgebackenes Bananenbrot kann daher samt wohltuendem Erfolgserlebnis mit Fug und Recht als Comfort Food bezeichnet werden.
Doch was sagt eigentlich die Wissenschaft zum Thema Comfort Food, und wie erklären die Psychologie und die Neurochemie, dass bestimmte Speisen und Genusssituationen in uns weitaus mehr Wohlgefühl hervorrufen als andere? Charles Spence, Experimentalpsychologe an der Universität Oxford und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Ernährungspsychologie, hat dafür eine ebenso einfache wie einleuchtende Erklärung: Bei Comfort Food spielen insbesondere frühe genussvolle Prägungen während der Kindheit eine entscheidende Rolle, also etwa Speisen, die z. B. zu Geburtstagsfesten oder Weihnachten serviert wurden oder die daheim häufig an Sonntagen auf dem Tisch standen – oder auch, wenn man nach einem anstrengenden Schultag hungrig nach Hause kam.
„Was eine Person unter Comfort Food versteht, kann für eine andere eher eine Herausforderung darstellen. Diesen Begriff zu füllen, ist so persönlich, so eng verbunden mit dem Zuhause, mit Familie, mit Erinnerung, sogar mit den individuellen Besonderheiten des menschlichen Geschmacks.“
In einer Studie aus dem Jahr 2017, die Charles Spence im International Journal of Gastronomy and Food Science veröffentliche, stellte er zusammenfassend vor allem folgende Haupteigenschaften fest, die Comfort Food typisch kennzeichnen: Die Rezepte sind in der Regel eher einfach zuzubereiten, haben häufig festlichen Charakter und enthalten in vielen Fällen überdurchschnittlich viel Zucker, Fett, Kohlenhydrate und Salz. Sie sind also meist eher kalorienreich und wirken dadurch in ihrer chemischen Zusammensetzung positiv auf das Belohnungssystem unserer Gehirnchemie, da sie eine erhöhte Ausschüttung von Dopamin auslösen können – jenes Botenstoffes zwischen den Nervenzellen, der für Glücksgefühle verantwortlich ist.
Spannende Ergebnisse lieferten auch andere Studien zum Thema, die in den letzten Jahren veröffentlicht wurden: So wurde etwa im Rahmen einer Untersuchung einer US-Universität festgestellt, dass es durchaus auch geschlechtsspezifische Unterschiede geben kann, wenn es um bevorzugte Arten von Comfort Food geht: Während die männlichen Personen der Testgruppe tendenziell eher große, herzhaften Gerichte wie Steaks, Aufläufe oder Suppen als Comfort Food definierten, neigten die weiblichen Testpersonen eher zu kleineren Snacks und bevorzugten hier vor allem süße Gerichte und Desserts mit Zutaten wie Eiscreme oder Schokolade.
Doch da wissenschaftliche Untersuchungen bei Weitem nicht so viel Spaß machen wie das Kochen in der eigenen Küche, hat sich nun auch einer der berühmtesten internationalen Starköche des Themas angenommen: In seinem ganz einfach „Comfort“ betitelten neuen Buch präsentiert kein Geringerer als Yotam Ottolenghi, der israelisch-britische Gründer von legendären Londoner Restaurants wie „Nopi“ oder „Rovi“, gemeinsam mit seiner Patissière Helen Goh und den beiden Co-Autorinnen Verena Lochmüller und Tara Wigley über 100 unwiderstehliche Rezepte, die nicht nur die hohe Kunst des Wohlgefühls beim Essen zelebrieren, sondern auch jenen Ort, der wohl für jeden Menschen schon in früher Kindheit den Beginn der eigenen persönlichen Genussreise geprägt hat: die eigene Heimat und das eigene Zuhause.
Ähnlich wie viele wissenschaftliche Studien, teilen auch Yotam Ottolenghi und Helen Goh das unendlich weite Feld der internationalen Comfort-Food-Gerichte aus aller Welt in vier unterschiedliche Basiskategorien ein. Denn entscheidend ist erstens, mit wem wir essen, also das Gemeinschaftsgefühl im Familien- oder Freundeskreis. Deshalb fallen vor allem Gerichte, die optimal zum Teilen geeignet sind, in die Kategorie Comfort Food, wie etwa ein großes Brathähnchen (hier nach einem wunderbaren Rezept von Helen Gohs Tante Pauline) oder auch verschiedenste Currys (hier z. B. mit Kurkuma-Pfefferkorn oder Garnelen und Spargel) und Eintöpfe, die sich einfach in großen Portionen zubereiten lassen.
Das zweite entscheidende Comfort-Food-Kriterium: Warum wir essen – und hier sind wir beim typischen Gefühl von Geborgenheit und Zuhausesein, wie sie z. B. Speisen wie Eiergerichte, Suppen (hier im Buch z. B. als köstliche Suppe mit gerösteter Aubergine, Paprika und Tomate) oder Omeletts (z. B. eine Frittata mit Lauch, Tomaten und Kurkuma) vermitteln, die häufig Erinnerungen an früher wach werden lassen. Die dritte entscheidende Frage lautet: Was essen wir eigentlich, wenn wir an Comfort Food denken? Hier argumentieren Yotam Ottolenghi, Helen Goh, Verena Lochmüller und Tara Wigley, dass es keineswegs nur die kalorienreichen Klassiker wie Fett, Zucker und Kohlenhydrate sein müssen, die Glücksgefühle in uns wecken, sondern durchaus auch leichte, bekömmliche Speisen, wie z. B. das Rezept für Grünteenudeln mit Avocado und Radieschen beweist.
Last but not least darf natürlich auch die vierte wichtige Frage nicht vergessen werden: nämlich wie wir essen. Und hier dürfte es kein Zufall sein, wie in „Comfort“ auf vielen Seiten sehr überzeugend dargelegt wird, dass so viele Wohlfühlgerichte mit Vorliebe in Schüsseln serviert werden. Vielleicht ist es schon alleine das wärmende Wohlbefinden, das man empfindet, wenn man z. B. eine heiße Schüssel mit asiatischen Ramen-Nudeln in beiden Händen hält, vielleicht ist es auch der besondere Genuss, den das langsame Löffeln einer Portion gebackener Zimt-Haferflocken nach Helen Gohs Rezept bedeutet – dem äußerst vielfältigen Thema Bowl-Gerichte ist jedenfalls in „Comfort“ viel Platz gewidmet.
Und da nicht nur das Löffeln aus Schüsseln, sondern auch das Essen mit dem ältesten Essinstrument der Welt, nämlich den fünf Fingern der eigenen Hand, gerade wegen seiner Unkompliziertheit, Direktheit und Einfachheit besonders viel Freude und Wohlgefühl vermitteln kann, dürfen natürlich auch zahlreiche Rezepte für köstliches Fingerfood nicht fehlen – und hier insbesondere aus jener Küche, für die Yotam Ottolenghi seit jeher bekannt und beliebt ist: der Kulinarikkultur aus dem Levanteraum des östlichen Mittelmeers, die auf die allerköstlichste Weise Einflüsse an der Schnittstelle zwischen Asien, Nordafrika und Europa miteinander verbindet.
Finger-Comfort-Food à la Yotam Ottolenghi, Helen Goh, Verena Lochmüller und Tara Wigley wird daher auch häufig in Fladenbrot eingewickelt, in Salatblätter, Weinblätter oder Bananenblätter, kommt als indisch inspirierte, knusprige Blumenkohl-Kürbis-Pakoras daher oder auch als Lauch-Käse-Rugelach (Rugelach = kleine, kipferlähnliche gefüllte Blätterteighörnchen), die Yotam Ottolenghi direkt aus seiner Heimat Israel mitgebracht hat. Übrigens: Die traditionellen Rugelach, die ursprünglich aus der aschkenasisch-jüdischen Küche stammen, sind heute auch in den USA sehr populär. Der Grund dafür: Jüdische Auswanderinnen und Auswanderer haben das Rezept aus Europa mitgebracht und auch in ihrer neuen Heimat beliebt gemacht – ein schöner Beweis dafür, dass Comfort Food im Herzen stets dorthin mitreist, wo man sein Zuhause findet.
Zutaten erhältlich bei METRO.
Vegetarisch 60 Minuten
Den Backofen auf 200 °C (Umluft) vorheizen.
In einem Topf 750 ml Wasser mit Gewürznelken, Kardamomkapseln, Zitronenschale und 1⁄2 TL Salz bei mittlerer bis starker Hitze zum Köcheln bringen. Dann vom Herd nehmen und beiseitestellen.
Inzwischen die vier Käsesorten und das Ei in einer Schüssel gründlich vermischen. Mit den Händen die Mischung in zwölf Portionen à etwa 40 g teilen. Diese zu Kugeln rollen. Sie müssen nicht perfekt werden, weil sie sowieso zerlaufen, sobald sie in den Reis kommen.
Den Reis auf den Boden einer hohen Auflaufform (24 × 32 cm) oder in eine ofenfeste Pfanne mit hohem Rand (Ø 28 cm) streuen. Die Oliven darauf verteilen. Das heiße Wasser mitsamt den Aromaten hinzufügen. Die Form behutsam schwenken, um den Reis gleichmäßig zu verteilen, dann die Käsekugeln auf den Reis legen. Die Form fest mit Alufolie verschließen (oder den Deckel auf die Pfanne legen) und den Reis im heißen Ofen 25 Minuten garen. Aus dem Ofen nehmen und zugedeckt 10 Minuten ruhen lassen.
Während der Reis ruht, die Butter in einem Topf bei mittlerer Hitze zerlassen. Alle Chiliflocken und Sumach einstreuen und gemeinsam 2–3 Minuten braten. Die Frühlingszwiebeln hinzufügen und 20 Sekunden mitbraten. Vom Herd nehmen und den Zitronensaft untermischen. Beiseitestellen.
Folie oder Deckel entfernen und unmittelbar vor dem Servieren die Chilibutter über den Reis träufeln. Die ideale Beilage zu etwas Einfachem wie einem Brathähnchen, kann aber auch mit Blattgemüse als Hauptgericht gegessen werden.
8 Gewürznelken
6 Kardamomkapseln, aufgedrückt
1 Bio-Zitrone, die Schale dünn in Streifen abgeschält, 2 EL Saft ausgepresst
125 g Ricotta
150 g Feta, zerkrümelt
125 g schnittfester Mozzarella, gerieben
25 g Parmesan, gerieben
1 Ei, verquirlt
400 g Basmatireis, abgespült und gut abgetropft
75 g entsteinte grüne Oliven, halbiert
100 g Butter
1 bis 1 1⁄2 TL Chiliflocken
1⁄2 TL Sumach (alternativ: einige Tropfen Zitronensaft)
5 Frühlingszwiebeln, grüne Teile schräg in 1 cm lange Stücke geschnitten (50 g)
Salz
gourMETRO
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Fotocredits: iStock, DK Verlag/Jonathan Lovekin // Rezepte: Yotam Ottolenghi & Helen Goh, beigestellt