Algen: Die Ernte der
wogenden Gärten
Severin Corti

In der Bretagne, wo sich Europa schon weit in den Atlantik hinauslehnt, werden Algen von herausragender kulinarischer Qualität geerntet. In Japan gehören Wakame, Kombu und Co. schon seit ewig zum Repertoire der guten Küche. Seit bald 40 Jahren macht eine andere Feinschmeckernation, nämlich Frankreich, es Japan mit Begeisterung nach. Und jetzt gibt es die ebenso zarten wie wohltuenden Gemüse aus der Tiefe auch bei uns.

Es ist schon eine irritierende Eigenschaft der Japanerinnen und Japaner, grundsätzlich jünger auszusehen, als sie in Wahrheit sind. Warum gelingt ihnen das bloß? Warum tendieren diese legendär höflichen Inselbewohnerinnen und Inselbewohner ganz allgemein dazu, sich bis ins hohe Alter bester Gesundheit zu erfreuen und auch generell erheblich älter zu werden als wir in Westeuropa?

Natürlich spielen bei komplexen Themen wie der allgemeinen Gesundheit eine Vielzahl von Faktoren zusammen. Was aber schon auffällt, ist die besondere Freude, mit der in Japan einem speziellen Lebensmittel mit ganz herausragenden Eigenschaften zugesprochen wird, das in unseren Breiten erst vergleichsweise spät für den Genuss entdeckt wurde. Meeresalgen in verschiedenster Form werden in Japan seit mindestens 3.000 Jahren genossen. Sie sind nicht nur herausragend nachhaltig, weil sie zum allergrößten Teil in schier endloser Menge in unseren Ozeanen vorkommen, sondern auch besonders wertvoll: reich an den Vitaminen A, B, C und E, mit zahlreichen Spurenelementen, darunter natürlich Jod – und Protein noch dazu. Vor allem aber schmecken sie besonders köstlich, was für die weltweit berühmte Feinschmeckernation Japan mindestens so wesentlich ist.

„Die Vielfalt der Pflanzen aus dem Meer ist es wert, erkundet und verkostet zu werden. Es ist interessant, dieses in Japan seit so vielen Jahrhunderten eingesetzte Lebensmittel auch für unsere Küche zu entdecken.“

Romain Villedieu von GlobeXplore, Algenspezialist

Insofern ist es nicht wirklich verwunderlich, dass es die Franzosen und Französinnen sind, die die kulinarischen Vorzüge der Algen für die europäischen Küchen entdeckt haben. Frankreich versteht sich nicht zufällig als Mutterland der guten Küche und hegt seit jeher besonderen Respekt für die japanische Küchenkunst. „Wir ernten unsere Algen in den kristallklaren Gewässern der Bretagne, in der Bucht vor Brest, wo sich der europäische Kontinent schon ganz weit in den Atlantik hinauslehnt“, sagt Romain Villedieu, der den bretonischen Algenspezialisten GlobeXplore vertritt und auch die Selektion im METRO Sortiment verantwortet. „Unsere Ernte stammt ausschließlich aus Wildsammlung und wird von spezialisierten Fußfischern und Fußfischerinnen von Hand geerntet. Die Unterschiede zwischen Ebbe und Flut sind in der Bretagne traditionell sehr groß, dadurch können wir bei Ebbe weit hinauswandern und ernten, wo sonst Meer ist.“

Das Algenfeld bei Brest ist nicht nur durch besonders sauberes Wasser und hohe Artenvielfalt gekennzeichnet, es ist auch das mit Abstand größte Algenfeld Europas – und ganz offiziell ein Teil des UNESCO-Welterbes. Die Fußfischer und Fußfischerinnen sowie Algensammler und Algensammlerinnen sind dabei wichtige Schützer und Schützerinnen der Artenvielfalt: „Unsere Erntesaison startet im März und endet im September“, sagt Villedieu. „Das ist auch die Zeit, in der die Algen besonders stark wachsen. Wir ernten ausschließlich mit Scheren, das fördert schnelles Nachwachsen und schädigt die Pflanzen nicht.“

Gleich unter der Oberfläche der glasklaren Küstengewässer der Bretagne gedeihen Algen in Gourmetqualität.

Von den 15 Algenarten, die in der EU für den menschlichen Verzehr freigegeben sind, haben sich die Spezialisten und Spezialistinnen von GlobeXplore auf vier spezialisiert, „ganz einfach, weil sie besonders wohlschmeckend sind und die größte Tradition haben“, sagt Romain Villedieu. Der Profi unterscheidet im Wesentlichen drei Spezies essbarer Algen.

Grüne Algen, die bei uns meist als Meersalat genossen werden, ähneln jenen Pflanzen, die wir vom Land kennen, am meisten. Das wundert insofern wenig, als sie entwicklungsgeschichtlich deren Vorläufer sind. Sie haben eine besonders zarte, knackige Textur und werden am besten roh gegessen. „Einfach als Salat anmachen, als frische, knackige Unterlage für ein feines Fischcarpaccio oder fein geschnitten als Würze und besondere Textur in einem Beef Tartare“, sagt Villedieu. Meersalat eignet sich aber auch, um für wenige Sekunden in heißem Öl frittiert zu werden, was ihm eine wunderbar knusprige, an Chips erinnernde Textur verleiht – ideal für raffinierte Meeresfrüchtekreationen“, wie Villedieu anmerkt.

Rote Algen, bei uns Lappentang oder Dulse genannt, sind in der japanischen Küche ganz wesentliche Zutaten. Aus ihnen wird Nori gemacht, die dünnen, grünen Blätter, mit denen in der Sushitradition Maki gerollt und auch für die als „Hand Roll“ bekannten Temaki verwendet werden. Für Nori werden die ursprünglich rötlichen Algen gekocht, wodurch sie grün werden, dann zerkleinert und auf Matten getrocknet oder, für manche Zubereitungen, auch geröstet und gewürzt. „Frisch haben sie ein wunderbar nussiges, zart an Pilze erinnerndes Aroma und schmecken vergleichsweise sehr wenig nach Meer“, sagt Romain Villedieu. „Sie sind ganz köstlich in Risottos. Dulse macht sich auch sehr raffiniert, wenn man etwa ein Crudo von der Garnele daraufsetzt. Die Blätter kann man dann mit der Hand zum Mund führen – sehr elegantes Fingerfood.“ Diese sehr zarte Alge lässt sich ebenfalls gut mit rohem Gemüse mischen, etwa als crunchy Vorspeise mit einem Miso-Dressing und gerösteten Wal- oder Haselnüssen als Topping. Man kann Dulse aber auch kurz andünsten und mit Grünkohl, gebratenen Karotten oder Kartoffeln kombinieren.

Knusprige Garnelen in Kadaif und Wakame mit Algen-Chutney.

Auch die Braunalgen haben ursprünglich in Japan Tradition, wo sie mit Wakame und Kombu zwei ganz wichtige Zutaten der Küche stellen. Wakame hat ein zart süßliches, delikates und doch ausgeprägtes Aroma, nachdem es vor dem Genuss blanchiert wurde. Man kennt die Alge als Einlage in Miso-Suppe, wo sie den Umami-Geschmack der fermentierten Sojapaste sehr angenehm akzentuiert und verstärkt. In japanischen Restaurants wird Wakame, mit mildem Reisessig und Sesam verfeinert, als erfrischender Salat gereicht oder in Tofugerichten verarbeitet. „Der ausgeprägte Umami-Charakter von Wakame ist wie geschaffen dafür, in kräftigen Suppen mit Fisch und Meeresfrüchten kombiniert zu werden“, rät Romain Villedieu, „es hat eine wunderbar seidige und doch bissfeste Struktur.“

Kombu, bei uns als Zuckertang bekannt, ist so etwas wie die Basis der japanischen Geschmackskultur. Die Alge ist außerordentlich reich an Umami und wurde ursprünglich zur Produktion von Glutamat verwendet. Traditionell ist sie neben Bonitoflocken und Shiitake die Hauptzutat für Dashi, den japanischen Grundfond, der in zahllosen Suppen und Saucen der japanischen Küche Eingang findet. Kombu wird normalerweise gekocht gegessen, nachdem es blanchiert wurde. Die Eigenschaft als natürlicher Geschmacksverstärker lässt sich auch sonst nutzen – ob bei der Zubereitung von Hülsenfrüchten, Gemüse oder Suppen. Spezialtipp von Romain Villedieu: „Die großen Blätter lassen sich, sobald sie einige Minuten in Wasser rehydriert wurden, als Grill-Wrapper einsetzen, um Fisch und Geflügel schonend und geschmackvoll zu grillen.“

Eine ganz spezielle Stellung nimmt der Riementang ein, der vor Japan nicht gedeiht, sondern auf den Nordostatlantik beschränkt ist. Die als „Meeresspaghetti“ oder „Seebohne“ bezeichnete Alge ist deshalb eine rein europäische Spezialität. Sie hat einen milden Geschmack und lässt sich, nach vorherigem Trocknen und Blanchieren, als sehr bekömmliches Gemüse einsetzen. Es passt, mit etwas Knoblauch angedünstet, hervorragend zu Spaghetti, aber auch zu Fisch, Hülsenfrüchten und Getreide.

„Die Vielfalt der Pflanzen aus dem Meer ist es wert, erkundet und verkostet zu werden“, sagt Romain Villedieu. „Es ist interessant, dieses in Japan seit so vielen Jahrhunderten eingesetzte Lebensmittel auch für unsere Küche zu entdecken.“ Aus ganz egoistischen, dem guten Geschmack geschuldeten Gründen – aber auch aus ökologischen: Algen wachsen ohne Dünger heran, ihre Ernte ist, da sie ein automatisch nachwachsender Rohstoff sind, extrem nachhaltig – und sie hat einen sehr geringen CO₂-Abdruck. Und, als Motivation nicht zu unterschätzen: Mit Frankreich und Japan als geschmacklich herausragenden Vorreitern lässt sich so ein Wagnis mit entsprechender Vorfreude angehen.

Zutaten erhältlich bei METRO.

Zander mit Erbsensalat, Safran-Dashi und krosser Kombu-Alge

Fisch 45 Minuten

Zubereitung:

Dashi mit Miso, Mirin und Safran aufkochen. Um etwa 1/3 einkochen lassen. Salat, Blumenkohl, Erbsen und Zuckerschoten abbrausen. Salat zerpflücken und Blumenkohl in Scheiben schneiden. Blumenkohl und Zuckerschoten je etwa 1 Minute, die Erbsen ca. 2 Minuten in Salzwasser blanchieren. Jeweils abschrecken und abtropfen lassen. Zuckerschoten längs in dünne Streifen schneiden. Koriandergrün hacken. Den Ingwer schälen und fein reiben. 


Zusammen mit Koriandergrün, Reisessig und etwas Sojasauce unter die Erbsen mischen und abschmecken. Kombu in feine Streifen schneiden und kurz in heißem Erdnussöl frittieren. Auf Küchenkrepp abtropfen lassen. 


Zander abbrausen, trockentupfen und in 4 Tranchen schneiden. In einer Pfanne im heißen Pflanzenöl auf der Hautseite 2–3 Minuten goldbraun braten. Einen EL Butter zugeben und den Zander rundum kurz fertig braten. Dabei leicht salzen.


Dashi mit dem Stabmixer schaumig mixen, dabei die übrige Butter zugeben. Mit Sojasauce abschmecken und auf tiefe Teller verteilen. Mit dem Sesamöl beträufeln. 


Gänseleber in Streifen schneiden und mit dem Blumenkohl anlegen. Mit 5-Gewürze-Pulver bestäuben. Mittig auf das Dashi die Erbsen mit dem Zander setzen. Mit dem Salat, Kaviar, Zuckerschoten und Kombu toppen. Nach Belieben mit Essblüten garnieren.

Zutaten für 4 Portionen

400 ml Dashi-Brühe
2 EL Misopaste
2 EL Mirin
1 Msp. Safranpulver
2 Blätter Salatherz
60 g Blumenkohl
120 g Erbsen
50 g Zuckerschoten
Salz
4 Stängel Koriandergrün
10 g Ingwer
1 EL Reisessig
3–4 EL Sojasauce, hell
10 g Kombu
Erdnussöl, zum Frittieren
400 g Zanderfilet
2 EL Pflanzenöl
60 g Butter
4 TL Sesamöl, hell
60 g Gänseleber
1 Msp. 5-Gewürze-Pulver
4 TL Lachskaviar

gourMETRO
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Video- & Fotocredits: Isabelle Guégan, Stockfood, Illustration by Tina Wieser

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