Ein Herz aus purer Sonne
Nikolaus Prokop

Das Ochsenherz ist eine der ältesten und köstlichsten Fleischtomaten-Raritäten, die heute gezüchtet werden. Nun findet man sie dank Ochsenherz-Spezialist Markus Pannagl von der LGV Sonnengemüse auch in Österreich.

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er Name könnte einen glatt auf die falsche Fährte führen. Denn unter einem Ochsenherz würde man auf den ersten Blick nicht unbedingt eine rein pflanzliche Delikatesse verstehen. Und schon gar nicht ein edles Gartenprodukt, das zugleich auch quasi ein Jahrhunderte altes, wertvolles Stück Gemüse-Kulturgut ist. Doch VeganerInnen und VegetarierInnen können völlig beruhigt sein, denn im guten alten Ochsenherz fließt nicht das geringste Tröpfchen Tierblut und es hat auch nie im Körper eines Rinds gepocht.

Stattdessen handelt es sich um eine der ältesten und köstlichsten Fleischtomatensorten, die bis heute gezüchtet werden, und deren charakteristisches, einem tiefroten, großen und muskulösen Herzen ähnelndes Aussehen ihr in vielen Nationen denselben Namen eingetragen hat. So ist sie in Italien etwa als „Cuore di bue“ bekannt, als „Coeur de boeuf“ in Frankreich und als „Bull’s heart“ in England.

So fleischig wie ein Beefsteak

Wahrscheinlich stammt sie allerdings ursprünglich aus Russland, möglicherweise aus Kasachstan, von dort wurde sie vermutlich von Auswanderern gegen Ende des 19. Jahrhunderts in die USA gebracht. Saatgutkataloge der damaligen Zeit beschreiben sie und manche ihrer mittlerweile ausgestorbenen engen Verwandten als „Tomate so fest und fleischig wie Beefsteak“ – eine äußerst zutreffende Beschreibung, denn die bis zu 500 Gramm schwere Frucht mit ihrem festen, samenarmen Fruchtfleisch vermittelt beim Aufschneiden tatsächlich ein ähnliches Gefühl, als würde man ein großes, saftiges Stück Steak filetieren.

Doch nicht nur ihre feste Konsistenz, sondern vor allem ihr intensives Aroma mit feiner Säure und dank des hohen Zuckergehalts intensiver Süße macht sie zu einem der absoluten Favoriten speziell der französischen und der italienischen Küche: In der Provence schwört man genauso auf das Ochsenherz wie etwa in Ligurien und hier besonders in der Gegend von Albenga, in der sie in in großen Kulturen und vielfältigen Varianten angebaut wird.

OCHSENHERZPARADEISER GEFÜLLT MIT COUSCOUS



Und wer je eine minimalistische Insalata Caprese nur mit Mozzarella, Basilikum, herzhaften Scheiben „Cuore di bue“, bestem Olivenöl und ein wenig Salz und Pfeffer probiert hat (nur kein Essig oder gar Balsamico, darüber rümpfen wahre ItalienerInnen die Nase!) weiß: Es gibt kaum eine bessere Tomatensorte für dieses einfache, aber himmlisch leichte und erfrischende Gericht. Und auch eine schlichte Tomatensauce gelingt mit dem Tomaten-Klassiker einfach optimal: Der geringe Wasseranteil sorgt für eine dichte, sämige Saucenkonsistenz und für eine intensive Aromenkonzentration, die schlicht zum Niederknien ist.

MARTINA HOHENLOHE & MARKUS PANNAGL
Ochsenherzparadeiser von LGV Sonnengemüse

Man muss freilich nicht bis nach Ligurien oder ins weite Südfrankreich reisen, um dem Ochsenherzen in all seiner kulinarischen Pracht und Fülle zu begegnen: Es genügt schon ein kleiner Ausflug an den Stadtrand von Wien, um in den Gemüsegärten von Markus Pannagl in Simmering diese hierzulande noch viel zu wenig bekannte Tomaten-Rarität zu entdecken: Er ist einer der 162 familiär geführten Gärtner- und Bauernbetriebe der LGV Sonnengemüse, der größten Gemüseerzeuger-Gemeinschaft Österreichs, die mit einem jährlichen Produktionsvolumen von 45.000 Tonnen wesentlich zur Frischgemüse-Versorgungssicherheit Österreichs beiträgt.

Auf einer Fläche von über 8.000m2 kultiviert der Wiener Landjugend-Junggärtner mit viel Know-how und Liebe schon seit rund fünfzehn Jahren seine stattlichen, bis zu drei Meter hohen Ochsenherz-Stauden und setzt beim Pflanzenschutz im Interesse von naturbelassener Produktqualität nur auf Nützlinge. Schon sein Opa hat seinerzeit versucht, das Ochsenherz wieder in Wien heimisch zu machen – Enkel Markus ist dies nun zur absoluten Perfektion gelungen.

Und da nicht nur der Anbau, sondern vor allem auch das Kochen mit Ochsenherzparadeisern seine Leidenschaft ist, hat er in den Kochsalon von Gault&Millau Österreich-Chefredakteurin Martina Hohenlohe gleich ein ganzes Kistchen seiner Prachtstücke mitgebracht und bereitet gemeinsam mit ihr gefüllte und gebackene Ochsenherzparadeiser mit Couscous zu – eine Spezialität, die neben mediterranen vor allem auch levantinische oder gar marokkanische Einflüsse erlebbar macht, denn auch mit der Küche dieser Kulturen harmoniert das Ochsenherz ganz hervorragend.

Und einen kleinen Genuss-Tipp verrät Ochsenherz-Experte Markus Pannagl noch zum Abschluss: „Die Ochsenherz-Tomaten reifen grundsätzlich von innen nach aussen, deshalb kann man sie auch schon hervorragend genießen, wenn die Schale erst eine leicht orangefarbene Farbe erreicht hat oder sogar noch leicht grünlich ist. Sie sind dann intensiver und erfrischender im Geschmack – ich persönlich esse sie am liebsten so.“


Hier gehts zum Rezept:

Fotocredits: zweischrittweiter.at